December 8, 2024
Berlin hat viele Skandale gesehen, aber der Steglitzer Kreisel ist eine Klasse für sich.
Ein leerstehendes Hochhaus mitten in der Hauptstadt, ein Fass ohne Boden für Steuergelder und ein Paradebeispiel für Klüngel, Korruption und gescheiterte Visionen.
Wieso zahlt Berlin Millionen für eine Ruine, die niemand haben will? Und welche unglaublichen Wendungen hat dieses Gebäude schon erlebt? Der Steglitzer Kreisel – oder wie ihn einige Berliner nennen: das 'Schandmal' von Steglitz. All das klären wir in dieser Doku.
Anfangs war der Wolkenkratzer ein Prestigeprojekt, ein Symbol für das moderne Berlin der Nachkriegszeit. Die Planung startete in den 60ern, als die berühmt-berüchtigte Architektin Sigrid Kressmann-Zschach Kaufoptionen mehrerer Grundstücke am Standort erwarb. Ihr Plan: Die Errichtung eines gigantischen Wolkenkratzers mit Büros und einem Einkaufszentrum.
Am gleichen Standort plante Berlin damals übrigens auch eine neue U-Bahnlinie, die allerdings nie gebaut wurde.
Der Steglitzer Kreisel sollte ein Symbol für Wachstum und Innovation sein. Zunächst sah auch alles ganz gut aus. 1968 begann man mit den Bauarbeiten. 120 Meter sollte der Turm hoch werden. Die zunächst veranschlagten Kosten: 180 Mio. DM.
Außerdem entstand ein Sockelgebäude, das ein Parkhaus, ein Hotel, mehrere Einzelhandelsgeschäfte und einen ganzen Busbahnhof mit U-Bahn-Zugang aufnehmen sollte. Doch dann kam alles anders.
Die Baukosten explodierten, dubiose Finanzierungen und ein heftig kritisierter Umgang mit Steuergeldern sorgten für den ersten großen Skandal.
Knapp 4 Jahre später stoppten die Bauarbeiten und weitere 2 Jahre später meldete die Bauträgerschaft rund um Sigrid Kressmann-Zschach Insolvenz an.
Trotz Bezuschussungen vom Berliner Senat, öffentlichen Geldern und einem Investment der Berliner Industriebank AG im Umfang von insgesamt 323 Mio. D-Mark scheiterte das Projekt.
Es kam sogar so weit, dass die damaligen Finanz- und Bausenatoren wegen des Verdachts auf Betrug ins Visier der Ermittlungen gerieten.
Zu einem bestimmten Zeitpunkt hat man in Erwägung gezogen, das Gebäude sogar zu sprengen.
Ende der 70er fand sich dann ein neuer Gesellschafter für das Projekt - die Immobilienfirma Becker & Kries. Mit deren Hilfe konnte der Turm dann final fertiggestellt werden.
Zunächst zog das Steglitzer Bezirksamt mit über 750 Mitarbeitenden in den Turm. Ende der 90er-Jahre kaufte der Bezirk das Gebäude für 67 Mio. DM.
Schon damals gab es Gerüchte über Asbest – und kurze Zeit später wurde die Gefahr bestätigt: Der Turm war komplett verseucht! Trotzdem entschied man sich, nur die nötigsten Reparaturen durchzuführen, bis der Berliner Senat 2006 das Gebäude komplett räumen ließ.
Nach der Aufgabe als Bürogebäude folgte ein jahrzehntelanger Leerstand. Jährlich zahlte der Senat rund 700.000 Euro für ein ungenutztes Hochhaus. Eine sinnlose Ausgabe? Absolut! Auch wenn man natürlich erwähnen muss, dass kreativste Ideen zur Veräußerung und Weiternutzung auf dem Tisch lagen – das einzige Problem war, dass sich niemand für die Finanzierung fand.
Also musste die Stadt selbst die vollständige Asbest-Sanierung beauftragen und finanzieren.
Der Kreisel blieb lange ein leerstehendes Mahnmal – bis 2017 Hoffnung aufkam.
Christoph Gröner – wohl einer der bekanntesten Immobilienunternehmer Deutschlands - wollte mit seiner CG Gruppe den Kreisel zu einem Appartement-Hochhaus umbauen und ihm neues Leben einhauchen.
Das Konzept klang für viele zunächst einmal gut. 330 Wohneinheiten sollten in dem gesamten Gebäudekomplex entstehen, davon 262 im Turm. Die Flächen sollten sowohl zu kleinen Appartements für Studierende und Senioren werden. Luxusapartments und größeren Wohnungen wurden in den obersten Stockwerken geplant.
Das Projekt bekam ab dann auch den klangvollen Namen „Überlin“. Die Einweihung war für 2020 geplant.
Aber auch hier folgte bald wieder der Stillstand. Die Arbeiten wurden eingestellt, der geplante Umbau zum Luxus-Wohnhaus blieb nur ein Traum.
Jetzt, im Jahr 2024, steht das Projekt einmal mehr auf der Kippe. Die GC-Gruppe wurde von der Consus Real Estate übernommen – einer Tochterfirma der Adler Group. Der heutige offizielle Besitzer, die Adler Group, änderte die Baupläne und verärgerte dadurch viele Eigentümer.
Die geplanten 330 Wohnungen waren zu einem großen Teil bereits verkauft oder reserviert. Nun wurden diese Verträge jedoch rückgängig gemacht. Der aktuelle Besitzer hat wenig Interesse daran, das Projekt fortzuführen – und Turm und Sockel sollen erneut verkauft werden.
Kleiner Fact am Rande: Der Immobilienkonzern steht aktuell stark in der Kritik. Vorwürfe der Falschbilanzierung und Marktmanipulation stehen im Raum.
Der Turm bleibt also weiterhin eine Bauruine.