Kreislaufwirtschaft konkret: Wie gelangt Abfall wieder in den Materialkreislauf?

October 23, 2024
Autor/in:
Thomas Lippold

Bauabfälle wie Verschnitt entstehen beim Verbauen von Materialien auf der Baustelle. Welche Möglichkeiten der Wiederverwendung es gibt lest ihr in diesem Artikel!

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Vor kurzem haben wir uns angeschaut, wie Wege zu einer Kreislaufwirtschaft aussehen könnten:

Vom Produkt zum Rohstoff: Auf dem Weg zu einer Kreislaufwirtschaft am Bau (https://www.digitalwerk.io/hot-topics/hot-topics-post/vom-produkt-zum-rohstoff-auf-dem-weg-zu-einer-kreislaufwirtschaft-am-bau)

Wir haben erfahren, dass Bauabfälle nach wie vor die größte Abfallgruppe in Deutschland stellen. In diesem Artikel wollen wir die konkreten Prozesse einer nachhaltigen, zirkulären Wertschöpfungskette einmal genauer betrachten. Wir blicken auf den Status Quo, die aktuell größten Herausforderungen und mögliche Ansätze für eine bessere Verwertung von Rohstoffen und Ressourcen. 

Vom Produkt zum Verschnitt - und somit zum “Abfall”

Bauabfälle wie Verschnitt entstehen beim Verbauen von Materialien auf der Baustelle. Dabei kann es sich zum Beispiel um Abschnitte von Gipsplatten, die beim Trockenbau anfallen, oder auch um Abschnitte und Reste von Glas- oder auch Steinwolle handeln, die bei der Dämmung von Wänden, Fassaden oder auch Dächern anfallen. Verschiedene Hersteller bieten in Deutschland unterschiedliche Methoden zur Rücknahme von Resten an. Saint-Gobain verfolgt mit der Easy Eco-Initiative seiner beiden Marken ISOVER und RIGIPS dabei den Ansatz der Abfallvermeidung und die Etablierung geschlossener Wertstoffkreisläufe. 

Nachhaltigkeit kann bereits bei der Materialproduktion beginnen

Für Mineralwolle-Produkte der Marke ISOVER und Standard-Gipsplatten der Marke RIGIPS bedeutet das konkret, dass diese Produkte verschnittoptimiert produziert und verarbeitet werden können, sodass beim Einsatz keine bis möglichst wenig Abfälle entstehen. RIGIPS Standard-Gipsplatten können beispielsweise bereits raumhoch produziert und geliefert werden. Der Wegfall des Zuschnitts ermöglicht somit auch eine schnellere und effektive Verarbeitung am Einsatzort. 

Seit Jahresbeginn ist Gips auf Deponien offiziell Tabu

Abschnitte und Reste von Baumaterialien sowie durch Rückbau entstandene Reste sind nach Definition im Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) Bauabfälle beziehungsweise Abbruchabfälle. Zum Beginn des Jahres 2024 traten zusätzlich wesentliche Änderungen in der Deponieverordnung in Kraft, die es untersagen, verwertbare Abfälle zu deponieren. Gipskarton- und Gipsakustikplatten, die frei von Schadstoffen sind, dürfen somit nicht mehr deponiert werden. 

Hohe Bußgelder bei Ordnungswidrigkeiten

Die Berliner Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt hat zu Beginn des Jahres mit einem Flyer auf die Ressourcenschonung durch Gipsrecycling aufmerksam gemacht. Es wird auf die rechtliche Lage hingewiesen, die dazu verpflichtet, Bauabfälle wie zum Beispiel Gips getrennt zu sammeln. Ordnungswidrigkeiten können mit Bußgeldern in Höhe von bis zu 100.000 Euro geahndet werden. 

Nachhaltigkeit erfordert ein Bewusstsein - und Akzeptanz

Eine erste Herausforderung beim Sammeln von Verschnitt zur Verwertung besteht bereits auf der Baustelle. In der Regel müssen anfallende Materialreste sauber, trocken und auch sortenrein gesammelt werden. Hier fehlt es vielerorts noch an einem Verständnis für die Wichtigkeit dieser Maßnahme und für Nachhaltigkeit im Allgemeinen. Insbesondere bei kleineren, anfallenden Mengen ist eine Sammlung und Sortierung für die verarbeitenden Gewerke ein Mehraufwand, gegen den sich oft Widerstand regt - oder die Abschnitte landen schlicht und ergreifend im Baumischcontainer.

Eine Möglichkeit wäre, die Recyclingpflicht bereits in die Leistungsbeschreibungen von Baumaßnahmen aufzunehmen, damit alle an der Wertschöpfung beteiligten ausführenden Unternehmen im Sinne der Nachhaltigkeit und dem Ressourcensparen handeln. Ein Praxistipp für Bauleiter auf Großbaustellen, bei denen mit den fertiggestellten Gebäuden eine DGNB-Zertifizierung angestrebt wird: Sammelcontainer und Big Bags lassen sich auch per Video überwachen.

Sauber und trocken zur Verwertung: Kostenfaktor Logistik

Ein nicht zu unterschätzender Kostenfaktor bei der Rückführung von Bauabfällen zur Wiederverwertung oder zum Recycling sind die teilweise langen Transportwege. Während des Transports muss die Reinheit und Trennung der Abfälle bis zum Verwertungsort gewährleistet sein. Gips darf auf dem Weg zur Annahme- oder Aufbereitungsstelle beispielsweise nicht nass werden. 

Bei Mineralwollen wie Stein- oder Glaswolle kommt erschwerend hinzu, dass diese in komprimierter, platzsparender Form geliefert werden. Nach dem Öffnen der Verpackungen dehnt sich insbesondere Glaswolle stark aus und hat nach wenigen Sekunden ihre ursprüngliche Dicke erreicht. In diesem Fall entspricht ein Kubikmeter Glaswolle, der geöffnet und zur Wiederverwertung oder dem Recycling zurückgeliefert wird, nicht dem ursprünglichen Lieferkubikmeter, denn Glaswolle wird beim Verpacken bis zu 60 Prozent komprimiert.

Auch die Sortierung kommt nicht ohne Menschenhand aus

Bei der Sortierung von Gipskartonresten oder Mineralwolleresten ist im Rahmen des Recyclingprozesses vielfach ein hoher manueller Aufwand nötig. Nicht alle Verschmutzungen oder Schadstoffe lassen sich beispielsweise durch Rüttelsiebe oder Magnete entfernen, sodass an den Verwertungsstellen Arbeiter den Abfall sichten und einige Rückstände von Hand entfernen müssen. 

Saint-Gobain bietet mit seinen Marken RIGIPS und ISOVER über die Easy Eco-Intiative die Abholung und Rücknahme von Baustellenverschnitten als bepreiste Dienstleistung an. Unter Umständen und je nach regionalen Begebenheiten kann die Bestellung von beispielsweise zwei EASY ECO PE-Säcken oder Big Bags weniger kosten als ein Container für Baumischabfälle. Dennoch sieht sich EASY ECO aber auch mit Entsorgungspreisen konfrontiert, die günstiger sind, als das Recyclingangebot. Der Unterschied ist jedoch, dass bei EASY ECO alle verwertbaren Wertstoffe tatsächlich in den Stoffkreislauf zurückgeführt werden. 

Für ein industrialisierteres Recycling müssen die Rückgabemengen steigen

Nach der Aufbereitung werden die gewonnenen Rohstoffe dem Produktionsprozess erneut zugeführt. Ziel ist es, sämtliche Rücknahmemengen in Zukunft in industrialisierter Form zu verwerten. Aktuell stellen jedoch die geringen Mengen, die die Wege zurück zu den Herstellern finden, diese vor Herausforderungen. 

Hersteller nehmen auch zurückgebaute Materialien zurück - mit einer Einschränkung

Eine weitere Besonderheit der Marken ISOVER und RIGIPS ist die Rücknahme nach dem Rückbau. Beide Hersteller nehmen ab 2023 gekaufte Produkte, die in der EASY ECO Materialdatenbank registriert sind, nach dem Rückbau zurück. Auch dieses Material muss trocken, frei von Fremdstoffen und groben Verschmutzungen und Abfällen sein. 

Der Anfang ist gemacht. Jetzt braucht es Mut und Durchsetzungswillen

Ein vollkommen nachhaltiger, zirkulärer Materialkreislauf steht daher noch vor einigen Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt. Vom Beginn der Abfallsammlung auf der Baustelle über den Transport hin zum Aufarbeitungsort bis zur Aufarbeitung in großen, industriellen Maßstäben, die sich für Kunden und Hersteller rechnen - die Grundsteine sind gelegt, gesetzliche Rahmenbedingungen ebenfalls geschaffen. Es braucht eine konsequente Durchsetzung dieser rechtlichen Vorgaben genauso wie ein Mindset, welches Abfälle als Rohstoffe versteht. 

Ein pfleglicher und sorgsamer Umgang - bereits auf der Baustelle - mit dem lange als “Müll” verpönten Abfall macht den Anfang.  

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