Lukas Heise (rechts) mit DIGITALWERK-Gründer und Podcast-Gastgeber Michél-Philipp Maruhn
May 24, 2022
Lukas Heise war vor 12 Jahren Profisportler im Eishockey und hätte sich nie erträumen lassen, dass er sich heute mit der Digitalisierung des Bausektors befasst. Er ist Gesellschafter und Geschäftsführer der Fischbach Gruppe und hat das Unternehmen damals durch einen unglücklichen Zufall zusammen mit seinem Mitinhaber Dennis Fischbach über Nacht übernommen. Danny und Lukas kannten sich vom Eishockey und hatten zum damaligen Zeitpunkt sogar in einer gemeinsamen Wohnung gelebt. Klaus Fischbach, der Vater von Danny und alleiniger Gesellschafter der damaligen Klaus Fischbach GmbH, die heute das Stammunternehmen der Fischbach Gruppe darstellt, ist damals unerwartet ins Krankenhaus eingeliefert worden und ins Koma gefallen.
„Der Anruf kam nachts. Wir sind aus dem Bett gehüpft und haben uns dann im Laufe der Nacht Gedanken gemacht. Wir kamen beide nicht aus dem Bereich, waren nicht in die Firma involviert und haben uns dann entschlossen, am nächsten Tag in die Firma zu gehen, um erstmal zu gucken. Seitdem sind wir nicht mehr weg.“
Zwar kannten sich beide nicht mit dem Bauwesen aus, doch sie wussten vom Mannschaftssport, dass Zusammenhalt, insbesondere in schwierigen Zeiten, enorm wichtig ist. Diese Werte und Mentalität haben sie bei der Übernahme des damals knapp 10-köpfigen Teams in 2008 und bei dem Aufbau zu einem Betrieb mit fast 500 Mitarbeiter:innen integriert und mitgeführt. Die Klaus Fischbach GmbH, welche bereits 1914 als klassischer Stuckateur und Malerbetrieb gegründet wurde, erzielte zum Zeitpunkt der Übernahme einen Umsatz von circa € 700.000 und war in zwei Büros, zwei Garagen und etwas Lagerfläche organisiert. Seitdem hat sich viel getan, denn im Jahr 2022 erzielt die Fischbach Gruppe einen Gesamtumsatz von etwa € 150 Millionen. Ein beeindruckendes Wachstum für ein mittelständisches produzierendes, herstellendes Unternehmen, welches Dienstleistungen erbringt und organisch gewachsen ist.
Die Fischbach Gruppe ist ein 360 Grad Dienstleister der Wohnungswirtschaft, dessen breites Kundenklientel sich kaum im privaten Bausektor bewegt, sondern aus den größeren als auch kleineren Wohnungsbaugesellschaften besteht. Der Aufbau der breiten Dienstleistungen hat mit dem Gerüstbau angefangen und wurde schrittweise erweitert. Heute deckt die Fischbach Gruppe alle Gewerke selbst ab, die für die Bestandssanierung und Modernisierung der Wohnungswirtschaft benötigt wird und arbeitet darüber hinaus mit einem breiten Partnernetzwerk an Unternehmen zusammen. Somit sind sie in der Lage Projekte entweder im Einzelgewerk oder als Generalunternehmer abwickeln. Bis zum heutigen Stand der Gruppe wurde keine „Buy and Build“-Strategie gefahren, da die Notwendigkeit hierfür nicht bestand und der Betrieb aus eigenen Mitteln organisch gewachsen ist.
„Unsere Strategie hat sich im letzten Jahr aufgrund von mangelnden Kapazitäten und Ressourcen am Markt etwas geändert. Wir wollen weiter nach vorne gucken, auch mal nach links und rechts und widmen uns jetzt auch anderen Themen.“
Insbesondere durch das große Problem der Nachfolgeregelung im Handwerk sehen sich Lukas und Danny in der Verpflichtung, sich dem Thema Unternehmenszukäufe explizit zu widmen und dieses als festen Bestandteil in die zukünftige Strategie zu integrieren. Seit dem 1. Januar 2022 haben sie in diesem Bereich tatsächlich einen ersten Elektrobetrieb erfolgreich übernommen und der Fischbach Gruppe angeschlossen. In den kommenden Jahren werden weitere Betriebe folgen, denn sie wollen weiter wachsen und das Unternehmen ausbauen.
Aufgrund der komplexen Ausführung von Leerwohnungssanierungen, bei denen Gewerke oft übergreifend gebündelt werden und innerhalb einer kurzen Bauzeit koordiniert werden müssen, haben sich Lukas und sein Mitinhaber bereits in 2017 mit dem Thema Digitalisierung auseinandergesetzt. Durch die Fischbach Gruppe werden jährlich bis zu 6.000 Wohnungen saniert. Der digitale Weg schafft dabei nicht nur einen Überblick, sondern auch Transparenz für alle Parteien – sowohl für Fremdleistungen als auch für eigene Leistungen.
„Wir haben uns zum damaligen Zeitpunkt dazu entschlossen, eine eigene Software dafür zu programmieren.“
Lukas erzählt im DIGITALWERK Podcast, dass der Schritt nicht ganz einfach war, aber sie damals erkannt haben, dass es nichts vergleichbares auf dem Markt gab, was sie hätten nutzen können. Anfangs haben sie die Software nur für ihre internen Zwecke und eigenen Abläufe entwickelt und nicht berücksichtigt, diese zukünftig marktfähig aufzubauen. Während zu Beginn ein Entwickler zusammen mit einem Mitarbeiter der Fischbach Gruppe die Software entwickelt hat, arbeiten heute 19 Softwareentwickler in einem eigenen Tochterunternehmen an der Weiterentwicklung und Instandhaltung der Software. In 2018 folgte schließlich auch der Ausbau zur Drittmarktfähigkeit und wurde 2019 released.
„Wir haben es geschafft, einen Geschäftsbereich, in dem wir selbst sehr neu waren, von null auf € 35 Millionen zu pushen. Das hat zum Großteil mit der Software und den darin abgebildeten Prozessen zu tun.“
Die Software digitalisiert den Bauablauf und ist in drei Komponenten aufgeteilt: die Auftraggeberwelt, die Umwelt und die Nachunternehmerwelt bzw. die eigene Monteurleistung. Bei der Entwicklung der Software wurde besonders darauf Wert gelegt, dass die Bauprozesse von Baufachleuten und Handwerkern gemeinsam mit Softwareentwicklern abgebildet werden, sodass sie der Realität nahe kommen und hierfür geeignet sind. Hierdurch ist jeder Prozess im Bauverlauf digital abbildbar, sodass beispielsweise der Auftraggeber jederzeit transparent in den Stand der Baustelle einblicken kann. Auch aus Sicht des Vermieters auf Kundenseite ist es möglich, den Zustand der Baustelle zu überprüfen, um Besichtigungstermine zum richtigen Zeitpunkt stattfinden zu lassen. Darüber hinaus kann zudem jeder Schritt digital dokumentiert werden: von dem Bauzeitenplan bis hin zur Organisation von Nachunternehmern. Auch ein Routenplaner wurde integriert.
„Wir haben aufgrund der knappen Ressourcen versucht, den Prozess so digital aufzubereiten, dass jeder am Ende des Tages seine Aufgaben digital zur Verfügung gestellt bekommt, abwickeln kann und die Baumaßnahmen abgenommen werden können.“
Der Plan sieht vor, die Software ständig weiterzuentwickeln und alle operativen Gesellschaften der Fischbach Gruppe an die Software anzubinden. Ziel für 2022 ist es, alle Gewerbe in die Software zu implementieren und die Prozesse zu vereinheitlichen, sodass die komplette Bauabwicklung digital abgebildet wird. Mit einem ERP System arbeitet die Fischbach Gruppe zwar auch, aber eher in den Bereichen des Controlling, Rechnungswesens und der Finanzbuchhaltung. Die eigene Software soll auch an diese Bereiche aufsetzen, denn hierdurch können Partnerunternehmen und angebundene Betriebe ihre administrativen Tätigkeiten wie die Rechnungserstellung automatisiert ausführen.
„Wir haben unseren diese Prozesse komplett abgenommen. Was daraus resultiert ist, ist, dass wir Partnerunternehmen wirklich binden konnten und uns dadurch vom Wettbewerb abheben.“
Per Knopfdruck können Partnerunternehmen Rechnungen durch vordefinierte Parameter deklarieren. Eine enorme Erleichterung für viele, die sonst am Wochenende ihre Rechnungen zusammen mit der Familie erstellt haben, erzählt Lukas im DIGITALWERK Podcast. Somit können sich die Fischbach Gruppe als auch alle angebundenen Partnerunternehmen vollkommen auf das operative Geschäft konzentrieren.
Seit dem Release der Software in 2019 ist diese marktfähig konzipiert. Der Plan ist es, weitere Unternehmen an die Plattform anzubinden und die Software an Kunden aus der Wohnungswirtschaft zu verkaufen. Ohne bisherige große Marketingaufwendungen haben Lukas und sein Mitinhaber bereits viel mit der Software erreicht, denn sie ist nicht nur gut für die eigenen Zwecke, sondern ein echter Prozessbeschleuniger. Durch den Testlauf im eigenen Unternehmen und ihrer etablierten Basis an Nachunternehmen und Partnerunternehmen, die die Software bereits nutzen, fällt der Fischbach Gruppe der Vertrieb der Software aus betrieblicher Sicht sicherlich leichter als jungen Startups, die sich erst eine Marktrelevanz aufbauen müssen. Doch hinsichtlich technischem Know-How kann Lukas den Vorteil gegenüber Softwareunternehmen nicht einschätzen.
Lukas ist motiviert, nicht nur in den eigenen Bereichen viel zu verändern, sondern möchte einen Beitrag zur Revolutionierung des Bausektors und der Wohnungswirtschaft leisten. Er glaubt daran, dass alle davon profitieren, wenn man die Branche vorantreibt, sich auch mit Konkurrenzunternehmen über die Digitalisierung und Optimierung der Prozesse austauscht und Themen gemeinsam angeht.
„Am Ende profitieren alle Seiten davon. Wir haben in unserer Branche nicht nur die politisch getriebenen Themen, sondern auch Auswirkungen durch den Ukraine Krieg, der die Unabhängigkeit in den Fokus rückt. Prozesse müssen beschleunigt und verbessert werden – dazu möchten wir einen Beitrag leisten.“
In den eigenen Wänden des Unternehmens macht es Lukas viel Spaß die verschiedenen Kulturen von Softwareentwicklern und Handwerkern zusammen zu bringen, Horizonte seiner Mitarbeiter zu erweitern und aufzuzeigen, dass Grenzen auch aufgebrochen werden können. Themen, die von Handwerkern oftmals schier für unmöglich gehalten wurden, können mit der heutigen Technologie realisiert werden. Beide Welten müssen gemeinsam an den Lösungen für die morgige Welt arbeiten, denn nur so kann die Branche vorankommen.
„Im Laufe der Zeit haben wir so viel verschiedene Erfahrungen sammeln dürfen. Mit Menschen verschiedenster Art. Natürlich wollen wir wachsen, weiterkommen und in unserer Branche einer der Größten werden. Aber der Spaß sollte dabei vor lauter Arbeit nicht zu kurz kommen.“
Spaß ist neben all den genannten Gründen einer der Hauptgründe, die Lukas antreiben. Wir sind gespannt, wo er in ein paar Jahren steht und wie die Software der Fischbach Gruppe die Wohnungswirtschaft verändern wird.
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