Sebastian Schumacher (Geschäftsführer KS-Modulbau GmbH & Co. KG) und Michél-Philipp Maruhn (Host & Founder DIGITALWERK)
February 20, 2023
Die Geschichten von Tellerwäscher, die Millionäre wurden, sind vor allem in Hollywood-Sphären allseits bekannt und ranken sich meist um Prominente, die inspirierende Karrieren vorzuweisen haben. Doch fernab der Hollywood Hills, etwa 9.000 Kilometer und rund elf Flugstunden entfernt, lebt ein Mann, dessen berufliche Laufbahn ebenfalls beachtlich ist: Sebastian Schumachers Werdegang trägt den Titel „Vom Zimmerer zum Geschäftsführer“.
Seit knapp zwei Jahren leitet er die Geschicke der KS-Modulbau GmbH & Co. KG mit Sitz in Ahorn, nahe Bremen. Das Unternehmen hat sich auf die Agenda geschrieben, den traditionellen Massivbau zu überdenken. KS Modulbau fertigt sämtliche Wände aus hauseigenem, natürlichem Kalksandstein an, egal ob es sich dabei um eine Dachschräge handelt oder um eine Wand, in der Fenster- und Türen-Zuschnitte berücksichtigt werden müssen. Seit einem Jahr ist Sebastian Schumacher darüber hinaus zuständig für die KS-WE Kalksandsteinwerke GmbH & Co. KG. Die Gesellschaft vertreibt die komplette Produktpalette der Marke KS in der Weser-Ems-Region.
Als Zimmermann ist Sebastian Schumacher einer vom Fach. Ein schwerer Arbeitsunfall bewegte ihn vor einigen Jahren dazu, sich beruflich neu zu orientieren. Er wechselte in den Vertrieb, arbeitete als Vertriebsbeauftragter „Bautenschutz und Instandsetzung“ bei der Remmers Baustofftechnik GmbH, um nach einem zweijährigen Abstecher bei der Erlus AG als Vertriebsleiter bei der Betafence Deutschland GmbH anzufangen. 2020 wechselte er schließlich zur KS-WE Kalksandsteinwerke GmbH & Co. KG. Zunächst war er dort ebenfalls als Vertriebsleiter angestellt, dann als Prokurist.
Als Geschäftsführer steht der 41-Jährige nun vor neuen Aufgaben und Herausforderungen. Dazu zählen der nachhaltige Umgang mit Materialien und die Entwicklung ressourcenschonender Herstellungsmethoden. Da der Kalksandstein nicht gebrannt, sondern wie in einem Schnellkochtopf gebacken wird, ist für die Produktion vergleichsweise wenig Energie nötig. Darüber hinaus setzt das Unternehmen auf Rohstoffe, die in der Region ausreichend verfügbar sind.
Kalksandstein ist also ein regional hergestelltes Produkt aus natürlichen Rohstoffen, schadstofffrei und ohne chemische oder allergieauslösende Zusatzstoffe. Nach dem Abbauprozess werden die Sandgruben renaturiert, sodass sich dort neue Tier- und Pflanzenwelten ansiedeln können. Über den gesamten Lebenszyklus betrachtet, sei Kalksandstein auf der Nachhaltigkeitsskala ähnlich wie Holz zu bewerten, auch in Anbetracht der Haltbarkeit und Recyclingfähigkeit. Reiner Kalksandstein könne auch nach jahrzehntelanger Nutzung wieder in die Produktion hineingeführt werden.
„Wir nehmen das Ziel, klimaneutral zu produzieren, sehr ernst. Wir setzen bereits alternative Energien wie Solar- und Windenergie in der Produktion ein und haben zukunftsweisend den grünen Wasserstoff im Blick. Wir wollen in unseren Werken Wärmerückgewinnung nutzen, um noch effizienter produzieren zu können.“
KS liefert Material für etwa 4200 Einfamilienhäuser pro Jahr. Verkauft wird der Baustoff über ein zweistufiges Vertriebssystem über den Handel an die einzelnen Bauunternehmen. Im Team der KS-WE arbeiten rund 110 Kolleginnen und Kollegen. Das Unternehmen gehört zu einem Teil der Gräper-Gruppe an, die sich als Spezialist für Trafostationen, Betonfertigteile, Elektrotechnik, Metallbau und Kalksandsteinprodukte einen Namen gemacht hat und mit dieser Expertise in der Dachregion, den Niederlanden sowie in der Tschechoslowakei erfolgreich ist. Daneben steht die Höltinghauser Industriewerke GmbH als zweiter Gesellschafter. Sie fertigen den weißen Wandbaustoff Kalksandstein am Standort Emstek-Höltinghausen an.
KS betreibt drei Werke in der gesamten Weser-Ems-Region. Im Umkreis von 70 Kilometern beliefert das Unternehmen Großhändler, die den Kalksandstein dann weiterführend verkaufen. Teils werden Baustellen auch direkt beliefert – mit Paletten oder modularen Bauteilen. Die fertigen Wände aus Kalksandstein sind sechs Meter breit und 3.70 Meter hoch.
Das Modulbaukonzept besteht seit zwei Jahren und wurde aus der Motivation heraus umgesetzt, als Unternehmen BIM-fähig zu sein. BIM steht für „Building Information Modeling“ und meint den ganzheitlichen Prozess zum Erstellen und Verwalten von Informationen für ein Bauobjekt. Auf diese Weise kann ein Objekt über den gesamten Lebenszyklus hinweg digital dargestellt werden – von der Planung bis zum Betrieb.
Dabei wünscht sich Sebastian Schumacher mehr Entwicklung im BIM-Sektor, vor allem mehr Tiefe. Schließlich setzt die Anwendung für Unternehmen eine große Investition voraus.
„Wir haben uns ernsthaft mit BIM beschäftigt, haben unsere Software zerlegt und die ersten Objekte abgewickelt und festgestellt, dass uns die Software bestenfalls ein 3D-Modell auswirft. Wenn es aber um Attribute geht, also um Details, um Fensteröffnung, die Dichte der einzelnen Steine oder um Festigkeitsklassen, kommen wir bisher nicht weiter. Das ist wirklich schade.“
Die Fertigteile von KS-Modulbau werden inzwischen in zahlreichen Immobilien verbaut, in Ein- und Mehrfamilienhäusern, in Einkaufsmärkten oder Kindertagesstätten. Der Geschäftsführer hat bereits den nächsten Schritt im Blick und dieser lautet: serieller Wohnungsbau – als Antwort auf den Fachkräftemangel und als Möglichkeit, die definierten Wohnungsbauziele der Bundesregierung schnell und effizient umzusetzen.
Als produzierendes Unternehmen liegen für KS die Vorteile auf der Hand. Standardisierte Lösungen führen dazu, dass eine durchgängige Produktion ohne Unterbrechungen möglich ist. Die Wände können vorgefertigt werden und stehen bei Bedarf sofort zur Verfügung. Standardmaße lassen sich günstig und in Reihe produzieren. Wenn über bezahlbaren Wohnungsbau gesprochen wird, über sozialen Wohnungsbau, ist diese Abkehr vom Individualismus nötig.
Kalksandstein findet insbesondere in der Industrie und im Wohnungsbau Anwendung. Bisher gibt es wenig Alternativen. Dennoch macht sich Sebastian Schumacher ausführlich Gedanken darüber, wo das Unternehmen in 15 Jahren stehen und wie sich der Markt entwickeln wird. Um das Unternehmensprofil dahingehend zu stärken, setzt der Geschäftsführer auf eine Erweiterung des Dienstleistungsportfolios. Im Angebot steht demnach nicht mehr nur die zugeschnittene Wand, sondern zum Beispiel auch die passende Sockelabdichtung, die direkt miteingebauten Fenster, Türen oder sogar Leitungen für die technische Gebäudeausrüstung. Der Auftraggeber reduziert auf diesem Weg massiv seinen logistischen Aufwand.
Kompetenzen in einer Hand zu bündeln, ist für Sebastian Schumacher eine Möglichkeit, den Herausforderungen der heutigen Zeit zu begegnen. Er bedauert, dass die Ellenbogen der Gesellschaft spitz sind. Das Konkurrenzdenken ist groß. Als KS mit der Modulbau-Ausgründung die ersten Aufträge verzeichnete, schlossen sich in der Region mehrere Bau-Unternehmen zusammen, um ein ähnliches Konzept zu vermarkten.
Wenn ein Bau-Unternehmer entscheidet, sich für einen siebenstelligen Betrag eine Anlage für die Produktion von modularen Bauteilen anzuschaffen, fördere dies grundsätzlich das Grundvertrauen bei den Kunden für den Modulbau, erklärt Sebastian Schumacher. Denn die Kunden sind in der Regel selbst Bauunternehmer. Dies bietet auch Vorteile für KS. Heute stehen beide Firmen in regem Austausch, profitieren mit- und voneinander.
„Ich wurde mehrfach darauf angesprochen, dass wir das nicht machen können. Das sei doch schließlich eine Wettbewerbssituation. Ich sehe das anders. Es ist einfach ein besseres Gefühl, wenn wir zu zweit auf der Startbahn stehen. Wettbewerb fördert auch Innovation.“
Der Markt sei groß genug für beide Modulhersteller. Sebastian Schumacher ist überzeugt: Wenn alle mehr miteinander reden würden, wenn die Gewerke übergreifend eine offene Konversation pflegen, könnten Prozesse deutlich beschleunigt werden.
Wer auf den Modulbau setzt, benötigt nicht nur eine Anlage für den Wandzuschnitt. Daneben stehen spezielle Transport- und Sicherheitssysteme, aber auch entsprechende Software, die einzelne Arbeitsschritte vereinfacht, damit nicht jede einzelne Wand händisch nachgetragen werden muss. Dazu kommt, dass ein bestenfalls überdachter und vor der Witterung geschützter Produktionsstandort vorgehalten wird. Für Sebastian Schumacher macht es Sinn, die Teile in einer Halle vorzuproduzieren und diese dann zum Wunschtermin auszuliefern.
Das konventionelle Stein-auf-Stein-Mauern hat sich verändert und wird irgendwann zu einer Individuallösung werden. Die Zukunft liegt im Modulbau, da ist sich der Geschäftsführer von KS sicher. Mit seinen Ideen erweckt er den traditionellen Massivbau zu neuem Leben. Der Modulbau ermöglicht hohe Maßgenauigkeit, stark verkürzte Bauzeiten, einen geringen Personalaufwand und eine immense Zeitersparnis – wirtschaftlich, planungsfreundlich und solide.
• Wie ein Zimmerer Geschäftsführer wurde (00: 04:24)
• Wie Klimaneutralität funktionieren kann (00:10:21)
• Warum seriellen Bauen den Individualismus schlägt (00:20:13)
• Warum Sebastian Schumacher gerne Kooperationen schließt (00:30:07)
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