Dr. Lisa Hannusch (Geschäftsführende Gesellschafterin von GIG) und Michél-Philipp Maruhn (Host & Founder DIGITALWERK)
April 4, 2023
Auf das Amt zur Bundeskanzlerin spekuliert Dr. Lisa Hannusch noch nicht. Dabei bringt sie die Grundvoraussetzung mit, könnte man meinen. Zumindest gibt es eine bedeutende Schnittstelle zu Altbundeskanzlerin Angela Merkel: den Doktortitel in Physik. Im Studium hat Lisa Hannusch analytisches Denken und strukturiertes Arbeiten verinnerlicht, ein gutes Verständnis für Statistiken, für Abweichungen und Methoden entwickelt, aber auch für Technik, fürs Programmieren und für digitalisierte Lösungen.
Dies alles sind wichtige Instrumente in ihrer neuen Funktion als geschäftsführende Gesellschafterin in der Geschäftsführung der GIG Unternehmensgruppe, die sie seit Januar dieses Jahres bekleidet. Vor eineinhalb Jahren ist sie in das Unternehmen ihrer Eltern eingestiegen. 2023 feiert der mittelständische Konzern sein 25-jähriges Bestehen. Eine gute Gelegenheit, um das Zepter an die zweite Generation zu überreichen.
Um sich auf ihre potenzielle Aufgabe vorzubereiten, hat Lisa Hannusch schon im vergangenen Jahrzehnt regelmäßig an wichtigen Terminen teilgenommen, Netzwerkpartner kennengelernt, im Unternehmensbeirat mitgewirkt. Sie war bereits Mitgestalterin – hinter den Kulissen. Dass sie nun ins Rampenlicht tritt und ihre Visionen auf das White Board schreibt, war in Zusammenhang mit der Unternehmensentwicklung eine bewusste Entscheidung.
„Wenn man ins Familienunternehmen einsteigt, ist dies eine seltsame Situation. Man ist kein unbeschriebenes Blatt. Das hat Vorteile und Nachteile. Wichtig ist, eigene Ziele zu definieren und sich nicht unter Druck setzen zu lassen.“
GIG hat sich auf technisches Facility Management und Energiedienstleistungen spezialisiert. Das Unternehmen, das inzwischen rund 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, agiert deutschlandweit, hat seinen Hauptsitz jedoch in Berlin. GIG bildet die gesamte Dienstleistungskette ab, von der Reinigung und dem Sicherheitsdienst, über die technische Wartung und Instandhaltung bis hin zu komplexeren Umbauarbeiten nach Kundenwunsch.
Lisa Hannusch wird ihren Fokus auf den Anlagenbau setzen, speziell auf Solaranlagen. Das energiepolitische Thema ist ein wichtiger Baustein in der Geschäftsentwicklung. Dabei geht es GIG nicht allein um das Planen und den Aufbau der Solaranagen, sondern weiterführend um den Betrieb, die Wartung und das Etablieren vertraglich geregelter Mieterstrom-Modellen. Das Unternehmen ist aber auch komplex in der Immobilie tätig, bietet integrierte Energiesysteme wie Wärmepumpen an und konzeptioniert Lösungen, wie Heizmethoden effizient gestaltet werden können. Dabei handelt es sich grundsätzlich um technische Produkte mit einem hohen Digitalisierungsgrad. Nur wenn alles digitalisiert, Daten erfasst und detailliert ausgewertet werden können, funktioniert die Bilanzierung.
Um innovativ kreativ agieren zu können, arbeitet GIG mit diversen Start-ups zusammen und setzt in Kooperation mit diesen Pilotprojekte auf. Vor allem im Bereich der Gebäudeleittechnik sei es für das Unternehmen deutlich von Vorteil, von Partnerschaften zu profitieren und das Know How abzuschöpfen. Zum Thema Bilanz-Campus-Management hat GIG erst kürzlich mit einem Kunden ein Joint Venture gegründet. Das entsprechende Start-up entwickelt eine App zur maßgeschneiderten Standortnutzung von Immobilien. GIG vertraut eben auch auf die Kompetenz der anderen.
„Wir haben auch Softwareentwickler im Team. Aber es ist illusorisch zu glauben, dass wir im Handumdrehen selber eine App bauen. Wir sind in unseren Prozessen, also unserem Kerngeschäft. Im Facility Management sind wir auch hoch digitalisiert, zum Beispiel in Wohnimmobilien, in den großen Wohnparks in Berlin, aber auch dort arbeiten wir mit Softwarepartnern zusammen.“
Das Thema Digitalisierung steht bei GIG seit mehr als zehn Jahren hoch im Kurs, gepusht durch Unternehmensgründer Torsten Hannusch. Er war es, der die Bedeutung und Wertschöpfung digitaler Plattformen von Anfang an verstand. Bereits seit 2013 erfolgen sämtliche Prozesse im Zusammenhang mit der Leistungsabwicklung cloudbasiert und papierlos. Alle Auftrags- und Bestandsdaten können inzwischen direkt digital an die Kunden übermittelt werden.
Torsten Hannusch hat die Firma aufgebaut, ist quasi von innen nach außen gewachsen, hat er doch das Unternehmen 1998 als Innovations-Start-up gegründet. Er ist ein alter Hase im Facility Management Geschäft und im Baugewerbe zu Hause. Er kennt sich über die Details aus, kann auch immer noch mitreden.
Als Gesellschafterin gehört es nun auch zu den Aufgaben von Lisa Hannusch, sich mit neuen Geschäftsmodellen auseinanderzusetzen, mit einem starken Managementteam im Rücken. Im Zuge der personellen Umstrukturierungen bei GIG wurden das Management umgestellt und die Meeting-Strukturen angepasst, um deutlich zu signalisieren: die Führung hat sich geändert. Wenn GIG etwas Neues entwickelt, ist Lisa Hannusch an erster Stelle dabei. Eine ihrer wichtigsten Themenfelder besteht in der Strategieentwicklung.
Die „Strategie 2027“ konzentriert sich auf Wachstum. Die Geschäftsführung von GIG blickt positiv in die Zukunft und erkennt deutliche Potenziale in der Umsatzsteigerung und kohärent dem Wachstum der Mitarbeiteranzahl. Zeitgleich verfolgt der Konzern das dringende Anliegen, den bestehenden Kollegenkreis intensiver an GIG zu binden. Damit das gelingen kann, sollten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stärker in Änderungsprozesse eingebunden werden. Im Change Management geht es darum, ins Gespräch zu kommen, zuzuhören und daraus Maßnahmen abzuleiten. Lisa Hannusch setzt auf gemeinsames Brainstorming und auf nachhaltige ehrliche Antworten, wenn sie die Frage stellt, wie und wohin sich das Unternehmen entwickeln soll.
Der Facility Management-Spezialist ist derzeit deutschlandweit an mehr als 230 Immobilienstandorten in den Geschäftsbereichen Pharma, Chemie, Industrie, Wohnimmobilien, Büro- und Gewerbeimmobilien sowie Hotellerie tätig. Ein Großteil der Angestellten bei GIG sind Handwerker. In Anbetracht des Fachkräftemangels und drohender Nachwuchssorgen will das Familienunternehmen für das bestehende Handwerkerteam attraktiv bleiben als Arbeitgeber. Das bedeutet auch, schnell und gegebenenfalls personalisiert auf Veränderungen einzugehen, um den Mitarbeitern die nötige Wertschätzung entgegenzubringen. Der Erfolg von GIG fuße letztlich auf der Qualität der erbrachten Leistungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und auf dem Wissen, das diese mitbringen.
Als weitere Stellschraube in der Unternehmensentwicklung sieht Lisa Hannusch Potenziale in der Prozessoptimierung, im Einsatz Künstlicher Intelligenz und dem Ausbau digitaler Facility Management Angebote im Bereich Wohnen, zum Beispiel im Kleinreparaturmanagement. Jeder Schadensfall, der beim Mieter auftritt, wird vom Mieter selbst und direkt beim GIG-Servicecenter gemeldet, ohne dabei den Eigentümer der Immobilie zwischenschalten zu müssen. Dies ermöglicht eine schnellere Behebung des Schadens. GIG hat das Servicecenter hierfür extra eingerichtet, um die gewünschte Qualität gewährleisten zu können – von der schnellen Erreichbarkeit bis hin zur Terminvergabe. Auch der Gebrauch von Chatbots wird bereits getestet. Der umfangreiche Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Methoden des Machine Learning sollen in naher Zukunft verstärkt werden, zum Beispiel steht die KI-basierte Routenplanung in den Startlöchern.
Durch die Einspeisung aktueller Verkehrsdaten können Zeit und Wege und damit auch Emissionen eingespart werden. Die Techniker, die zu einem Auftrag unterwegs sind, bekommen direkt aufs Handy, wo sie als nächstes empfangen werden und welcher Schaden vorliegt. Daraus können sie auch direkt schlussfolgern, welches Werkzeug und Equipment sie mitnehmen müssen. In der App nehmen sie den Schaden auf und lassen die Abarbeitung durch den Kunden unterzeichnen. Der Vorgang ist damit abgeschlossen. KI ermöglicht eine schnellere und präzisere Angebotskalkulation und im Endeffekt auch einen nachhaltigeren Gebäudebetrieb. Für Lisa Hannusch ist Nachhaltigkeit eines der wichtigsten und lebendigsten Themen auf ihrer Agenda.
„Dass das Unternehmen in Familienhand bleibt, ist auch ein Aspekt von Nachhaltigkeit. Für unsere Geschäftsmodelle ist das Thema ESG ganz groß. Wir haben zum Beispiel sogenannte ESG-Lotsen ausgebildet, die in den immobilienspezifischen Nachhaltigkeitskriterien geschult werden.“
Der Druck auf Kundenseite in Bezug auf umweltschonende Lösung im Bereich der Immobilienbewirtschaftung wächst zusehends, unter anderem erzeugt durch die BaFin-Regularien oder politische Entscheidungen. Die Mieter und Nutzer von Immobilien fordern Nachhaltigkeit ein, wollen Nachhaltigkeit sehen. Hier schließt sich der Kreis zum Anlagenbau und der Solarzelle auf dem Dach.
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