Melissa Ott & Marcel Schemmel (Futury – „The Mission Construction“) und Michél-Philipp Maruhn (Host & Founder DIGITALWERK)
May 23, 2023
Melissa Ott und Marcel Schemmel schreiben sich die Zukunft auf die Brust. Sie gehen sogar noch einen Schritt weiter und behaupten von sich, dass sie die Zukunft gestalten. Melissa Ott und Marcel Schemmel gehören zu der Initiative Futury. Diese ist ein Spin-Off der 2005 ins Leben gerufenen Werte-Stiftung und den Unternehmen Deutsche Bank, Bain & Company, PreZero sowie der Handelsblatt Media Group. 2016 wurde Futury gelaunched und versteht sich seither als Innovationsplattform.
Im November 2021 hat Futury in Kooperation mit der Werte-Stiftung und der internationalen Business School ESMT Berlin das „Future Institute for Sustainable Transformation“ gegründet. Dabei handelt es sich um ein forschungsbasiertes und handlungsorientiertes Institut für nachhaltige Transformation, das Wissen schafft, innovative Nachhaltigkeitslösungen entwickelt und Akteure verbindet.
Das Ziel besteht darin, Einzelpersonen, Organisationen oder sogar komplette Branchen unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit zu transformieren. Das Institut ermöglicht den Aufbau eines Netzwerks zwischen der akademischen und der unternehmerischen Welt. Was sind Erkenntnisse, die für die Unternehmen und Startups relevant sind? Welche Nachhaltigkeits-Themen stehen auf der Agenda der Start-ups und Unternehmen? Und welche Herausforderungen sind damit verbunden? Das Institut widmet sich diesen Fragen.
2022 wurde durch Futury das Innovations- und Nachhaltigkeitsprojekt „The Mission“ ins Leben gerufen. Die Idee: Unternehmen unterschiedlicher Branchen arbeiten mit jungen Talenten und Start-ups an neuen Produkten und Geschäftsmodellen. Innerhalb weniger Monate werden in konkreten Projekten Prototypen für praxisnahe nachhaltige Produkte und Geschäftsmodelle entwickelt.
Der Hintergrund: Innovationskraft entsteht längst nicht mehr ausschließlich im eigenen Betrieb. Die zu meisternden Herausforderungen sind komplex, dass sie am besten zu meistern sind, wenn verschiedene Akteure zusammenarbeiten. Eine Möglichkeit, die Expertise und Kompetenzen vieler Akteure zu bündeln und Lösungen im Zusammenspiel zu entwickeln, besteht in der Etablierung von „Ökosystemen“ als Kollaborationsformat.
Das „The Mission“-Programm konzentriert sich neben dem Bauwesen auf die beiden weiteren Schlüsselbranchen Abfallwirtschaft und Lebensmittel. Futury hat drei Ökosysteme aufgesetzt, um an konkreten Lösungen rund um diese Themen zu arbeiten.
Die Entwicklung der Bauwirtschaft wird im Wesentlichen durch drei Faktoren beeinflusst: Digitalisierung, sozialdemografischer Wandel und dem politisch definierten Klimaneutralitätsziel. All diese Themen sind Fokusthemen im „The Mirror“-Programm.
Die Digitalisierung hat einen gigantischen Impact auf Berufswelten und das gesellschaftliche Zusammenleben. Die Art zu arbeiten, zu leben, zu kommunizieren, zu lernen, ist in einem durch den digitalen Wandel bedingten Entwicklungsprozess. Dort, wo Planungs- und Produktionsprozesse effizienter gestaltet werden können, drängen Unternehmen mit ihren softwarebasierten Lösungen auf den Markt. Dieser technologische Fortschritt hat das Potenzial, die Bauindustrie zu revolutionieren – angefangen von der Planung eines Projektes, über dessen Umsetzung bis hin zur anschließenden Bewirtschaftung des Bauwerks.
Der sozialdemografische Wandel hat wiederum zur Konsequenz, dass einzelne ländliche Regionen veröden, während Großstädte sich vor Zuwachs kaum retten können. Der Wohnraum ist knapp, die verkehrliche Infrastruktur häufig überholt und die Verdichtung gilt als ein kaum handhabbares ökologisches Problem. Daneben steht eine zunehmend älter werdende Gesellschaft schwachen Geburtenjahrgängen gegenüber. Diese Entwicklung trifft auch die Bauindustrie als Arbeitgeber. Die Begriffe Fachkräftemangel und Nachwuchssorgen belasten die gesamte Branche.
Das durch die Bundesregierung definierte Ziel, den Ausstoß von CO2-Emissionen in Deutschland bis 2045 auf Netto Null zu senken, erfordert von der Bau- und Gebäudewirtschaft ein signifikantes Umdenken und sofortiges Handeln. Denn mehr als ein Drittel der globalen CO2-Emissionen werden allein durch diesen Sektor verursacht. Doch selbst „Nullenergiehäuser“ kommen bislang nicht ohne Energiezufuhr von außen aus.
„Erstens fehlt es an Fachkräften. An jeder Stelle. Zweitens müssen wir uns auf den Bestand fokussieren. Da brauchen wir uns nichts vormachen. Die Branche hat einen wahnsinnigen Einfluss auf die Nachhaltigkeitsziele. Die größten Energieeinspar- und Klimaschutzpotenziale haben Bestandsimmobilien.“
Eine wichtige Rolle auf dem Weg zur Dekarbonisierung spielen aber auch die beim Bau eingesetzten Materialien, deren Herstellung oftmals einen hohen Energieaufwand benötigt. Themen rund um serielles und modulares Bauen erobern den Markt. Daneben wird der Wiederverwertung von Rohstoffen einen hohen Stellenwert beigemessen.
Futury ist auf der Suche nach Start-ups, die Lösungen anbieten. Die Plattform wirbt die Gründer in der Regel in der Frühphase ihrer Entwicklung an. Das Scouting ist aufwendig und zeitintensiv. Dabei konzentriert sich das Team primär auf den europäischen Markt, ohne den internationalen Blick zu verlieren. 2023 haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bislang mehr als 500 Startups gescreent, von denen fünf am Ende in Zusammenarbeit mit den Unternehmen als herausragend und zum Ökosystem passend eingestuft wurden. Alle Start-ups befassen sich ausschließlich mit nachhaltigen Themen, mit Lösungen für die nachhaltige Transformation.
Futury versteht sich als Corporate Accelerator, als Brückenbauer. Wie andere Accelerator auch unterstützt die Plattform Start-ups beim Aufbau von Geschäftsmodellen oder in Finanzierungsfragen. Doch der Fokus der GmbH aus Frankfurt am Main besteht darin, die Kooperation mit dem Unternehmenspartner zu lancieren.
Für viele Start-ups ist es schwer, die Zugänge zu den Unternehmen zu finden und gleichzeitig in Pilotprojekte zu marschieren. Die Unternehmen profitieren von der Innovationskraft der Start-ups und die Start-ups wiederum finden den Marktzugang. Dabei geht es nicht darum, welches Start-up das größte Wachstumspotenzial hat, sondern darum, welches Start-up die besten Antworten auf die Fragen der Industrie liefert.
„Wir bringen Unternehmen der gesamten Wertschöpfungskette zusammen. Das ist nicht nur vorteilhaft für die Start-ups. Für die nachhaltige Transformation müssen alle Ressourcen genutzt werden. Es geht schließlich darum, kollaborativ nachhaltige Lösungen für die Branche zu entwickeln.“
Der Anspruch besteht darin, jedes Start-up bestmöglich zu coachen, individuell auf die Bedürfnisse einzugehen. Hierfür gibt es keine Standards. Das Accelerator Programm läuft drei Monate. Nicht jede Idee schafft es währenddessen direkt in die Umsetzung. Nach den drei Monaten geht es darum, das aufgebaute Fundament zu stärken und fortzusetzen. Deshalb wird die Zusammenarbeit zunächst auf zwölf Monate ausgeweitet, auch aufgrund der Schwerfälligkeit der Baubranche. Themen innerhalb von drei Monaten umzusetzen, sei schlichtweg unmöglich.
Zu den unternehmensseitigen Partnern gehören unter anderem die bayerische Landeshauptstadt München, Goldbeck oder die Schwarz Gruppe. Zu letzterer gehören beispielsweise Supermarktgiganten wie Lidl und Kaufland, deren Immobilienbusiness einen wichtigen Geschäftszweig darstellt.
Ziel ist es, mit den beteiligten Unternehmen die gesamte Wertschöpfungskette abbilden zu können: Von der Planung, der Finanzierung und der Immobilienentwicklung, über Hersteller und Lieferanten von Baumaterialien bis hin zu Profis im Facility Management Segment. Die Immobilienbestände umfassen Wohnimmobilien, Retailimmobilien, Büroimmobilien, aber auch Logistikimmobilien.
Melissa Ott und Marcel Schemmel sind Fans aller Start-ups, die am Programm beteiligt sind. Dennoch stechen vereinzelt Gründer mit ihren Ideen und Lösungskonzepten hervor. Hierzu gehöre VePa -Vertical Parking. Das Start-up entwickelt vertikale Parktürme mit einem rotierenden Paternoster-System und einer Ladeinfrastruktur für die darin parkenden Fahrzeuge. Ein Parkturm benötigt wenig Grundfläche, kann in kürzester Zeit aufgebaut und darüber hinaus individuell und nachhaltig gestaltet werden, zum Beispiel mit PV-Anlagen oder einer begrünten Fassade.
Die Start-up-Unternehmens-Kollaboration hat viele Gesichter. Das Ende der „The Mirror“-Programmphasen ist offen und individuell. 2022 haben sich verschiedene Modelle ergeben. Es sind neue Ideen entstanden, neue Teams. Manche haben mit einer anderen Idee weitergemacht. Andere haben Vereinbarungen geschlossen, um künftig gemeinsam an der Produktentwicklung zu feilen.
Futury unterstützt nicht nur die Start-ups, sondern auch die Unternehmen, unter anderem mit weiterführenden Veranstaltungsformaten oder Recruitingmaßnahmen. 2023 hat das Team eine Karrieremesse organisiert.
„Wir sind nah an der jungen Generation dran und die hat ein wahnsinniges Engagement, sich im Bereich Nachhaltigkeit einzusetzen und innovativ zu arbeiten. Die Unternehmen machen sehr viel im Bereich Nachhaltigkeit und Innovation. Es braucht einen Kanal, um diese Message zu transportieren. Das übernehmen wir.“
Futury legt Wert auf einen offenen, transparenten und vertrauensvollen Austausch. Nur so können Barrieren und Vorurteile zwischen Neugründern und den Corporates abgebaut werden. Wer die beiden Säulen Innovation und Nachhaltigkeit nicht lebt, hat im Anwerbungsprozess keine Chance.
Für die Unternehmen zählt als dritter Faktor die Wirtschaftlichkeit. In der Baubranche wird diese gerade neu definiert: Was in den letzten zehn Jahren in der Niedrigzinspolitik funktioniert hat, bekommt jetzt neue Maßstäbe. Ein Planungsprozess, ein Bauprozess, ein Umbau – all das muss sich irgendwie lohnen.
Die Themen, die Futury setzt, haben Relevanz, bedürfen Austausch. Die Firmen können voneinander lernen, von Fehlern, aber auch von Erfolgsgeschichten. Die Programme, die das Team aufsetzt, führen nicht nur dazu, dass Piloten umgesetzt werden. Ideen werden nach vorne, Steine ins Rollen gebracht. Menschen kommen zusammen. Menschen mit ähnlichen Zielen. Menschen, die nicht nur reden, sondern machen wollen. Was bei diesen Treffen passiert, sei vergleichbar mit einem Klassentreffen: Personen, die sich kennen, neue Personen, die dazukommen, die aufgenommen werden und die gemeinsame Vertrauensbasis hat, Ideen umzusetzen.
Wenn diese Folge für dich interessant war und Dir dieser Beitrag gefallen hat, dann schau doch auch einmal hier vorbei:
Das Startup VePa Vertical Parking baut Parktürme als nachhaltige Variante zur Flächenversiegelung am Boden. Alles, was sie dazu brauchen: 45 Quadratmeter. Was sie dafür bieten: 12 vertikal angeordnete und individuell ausgestaltete PKW-Stellplätze mit einer Ladeinfrastruktur für E-Autos. Wie der Parktower funktioniert, erklärt David Schön als einer der Gründer im DIGITALWERK Podcast.
Jetzt im Blog lesen