Anne Keilholz (Vorständnin bei GAG Immobilien AG) und Michél-Philipp Maruhn (Host & Founder DIGITALWERK)
September 12, 2023
Die Wohnungskrise ist real, und die politischen Forderungen nach mehr Wohnraum werden lauter. Doch Anne Keilholz, Vorständin der GAG Immobilien AG, bringt die harten Realitäten auf den Punkt:
"Da gibt es nur eins: Was hilft, ist Geld, wenn man möchte, dass wir weiterbauen und jede Menge Geld auch in die Modernisierung stecken. Da hilft nur eins: Geld, und im Moment sehe ich keins."
– Anne Keilholz
Anne Keilholz, Vorständin der GAG Immobilien AG erzählt zu Beginn der Podcastfolge von ihrem ungewöhnlichen Werdegang. Sie nahm zuerst ein Kreativstudium in New York auf, lebte in London und fand schließlich zurück nach Deutschland. In ihrer Karriere hat sie verschiedene Bereiche der Immobilienbranche kennengelernt, angefangen bei der Wall Street Tochter der Deutschen Bank bis hin zur Treuhand-Nachfolgeorganisation.
Die Immobilienwelt hat sie dabei auf eine besondere Art und Weise fasziniert. Insbesondere während der Zeit, als die Angelsachsen verstärkt in den deutschen Immobilienmarkt investierten, erlebte sie eine Professionalisierung der Branche. Immobilien, die früher kaum beachtet wurden, stiegen plötzlich im Wert, und die Branche begann sich zu verändern.
Vor dieser Phase waren Immobilien in Deutschland oft im Privatbesitz, und die Bewertung und Nutzung von Immobilien als Investitionsmöglichkeit war weniger verbreitet. Doch die Zeiten änderten sich, und Anne Keilholz konnte den Wandel hautnah miterleben. Ein Beispiel, das sie nennt, ist die Situation in Berlin nach der Wiedervereinigung. Mehrfamilienhäuser, die niemand haben wollte, waren plötzlich gefragt, und die Immobilienpreise stiegen rapide an.
In Berlin war die Entwicklung besonders spannend, da die Mieten lange Zeit niedrig waren und sich der Kauf von Immobilien nicht lohnte. Doch plötzlich änderte sich alles, und die Preise stiegen exponentiell an.
Anne Keilholz hat nicht nur einen beeindruckenden Werdegang in der Immobilienbranche, sondern ist auch ein bemerkenswertes Beispiel für die steigende Präsenz von Frauen in Führungspositionen. Als Mitglied des Vorstandes der GAG Immobilien AG mit Sitz in Köln ist sie eine der wenigen Frauen in einer männerdominierten Branche.
Die GAG Immobilien AG zeichnet sich sogar dadurch aus, dass der Vorstand ausschließlich aus zwei Frauen besteht. Anne Keilholz ist verantwortlich für den kaufmännischen Bereich, und sie betont, dass die Zusammenarbeit im Vorstand als Team erfolgt, ohne einen einzelnen Sprecher.
Das Thema Frauen in Führungspositionen und Quotenregelungen wird oft diskutiert. Anne erzählt, dass dies in ihrer früheren Position in Berlin durchaus ein Thema war, da dort besonderer Wert auf die Einhaltung des Gleichstellungsgesetzes gelegt wurde.
Obwohl sie persönlich zwiespältig gegenüber Quotenregelungen ist, erkennt sie an, dass sie dazu beigetragen haben, die Präsenz von Frauen in Führungspositionen zu erhöhen. Ohne solche Maßnahmen könnte der Fortschritt langsamer erfolgen.
Anne Keilholz spricht darüber, wie sich die GAG Immobilien AG zu einem bedeutenden Akteur auf dem Immobilienmarkt entwickelt hat. Mit 45.000 Wohneinheiten ist das Unternehmen die größte kommunale Wohnungsgesellschaft in Nordrhein-Westfalen. Mit 600 Mitarbeiter:innen ist es zweifellos ein mittelgroßes bis großes Unternehmen.
Die Verantwortung für eine solche Organisation ist immens, aber Anne und ihr Vorstandsteam gehen gerne damit um. Herausforderungen sind für sie eine Quelle der Freude. In den letzten zehn Jahren gab es in der Immobilienbranche einen Boom, in dem alles reibungslos zu laufen schien und die Unternehmen nicht viel tun mussten. Doch die Rahmenbedingungen haben sich drastisch verändert, und Unternehmen wie die GAG Immobilien AG müssen sich schnell anpassen.
Anne Keilholz betont, dass die Immobilienbranche in der Vergangenheit oft reaktiv war und es an proaktiven Maßnahmen mangelte. Die Branche hat sich auf Beschwerden und regulatorische Verschärfungen konzentriert, anstatt sich als Lösung für Wohnraumprobleme und soziale Herausforderungen zu präsentieren.
Anne erzählt, dass die Wohnungswirtschaft einen wichtigen Beitrag zur Schaffung von Wohnraum und zur Förderung des sozialen Zusammenhalts leistet. Dennoch hat die Branche ihren guten Ruf verloren, was laut Anne bedauerlich ist. Sie ist der Meinung, dass die Immobilienbranche es versäumt hat, ihre positiven Beiträge und ihre wichtige Rolle in der Gesellschaft angemessen zu kommunizieren.
Eine Frage, die sich stellt, ist, ob das schlechte Image der Immobilienbranche teilweise selbst verschuldet ist. In der Branche gab es immer wieder Skandale, die oft für Aufsehen sorgten, auch wenn sie nicht immer so schwerwiegend waren, wie sie dargestellt wurden.
Anne Keilholz stimmt dem zu und betont, dass die Branche sich von schwarzen Schafen distanzieren sollte. Sie betont, dass die Immobilienbranche selbst kommunikativ aktiver sein sollte, um ihr positives Wirken in der Gesellschaft besser zu vermitteln. In guten Zeiten wurden notwendige Veränderungen oft aufgeschoben, aber die aktuellen Herausforderungen erfordern jetzt entschlossenes Handeln.
“Das haben wir, glaube ich, versäumt, uns als Branche anders darzustellen und zu sagen: 'Wir sind diejenigen, die euren Wohnraum schaffen. Ja, wir tragen was Positives bei. Und stattdessen, finde ich, hat der Ruf der Immobilienbranche gelitten."
– Anne Keilholz
Anne Keilholz erklärt, dass die finanziellen Ressourcen knapper werden, während die politischen Forderungen nach mehr Wohnungsbau steigen. Sie äußert, wie wichtig es ist, Geld in Modernisierungen und Nachhaltigkeit zu investieren, um den wachsenden Anforderungen gerecht zu werden.
Die Realität sei, dass neue Investitionen oft nicht mehr rentabel sind, so Anne. Innerhalb der Diskussion über Mietpreisbegrenzungen betont sie, dass das Gießkannenprinzip nicht die Lösung ist. Sie glaubt stattdessen an eine individuelle Betrachtung der Mieter:innen-Bedürfnisse.
Die Kommunikation mit den Mieter:innen ist ein wichtiger Aspekt, und Anne Keilholz erwähnt, dass sie regelmäßig Mieter:innen-Befragungen durchführen, um die Bedürfnisse der Mieter:innen zu verstehen. Die Mieter:innen wünschen sich oft Verbesserungen im Wohnumfeld, und die Ansprechbarkeit des Unternehmens ist von großer Bedeutung. Die GAG Immobilien AG arbeitet an einer Mieter:innen-App, um die Interaktion mit den Mieter:innen zu erleichtern und Prozesse zu automatisieren.
Schließlich betont Anne die Bedeutung sozialer Verantwortung in der Branche, sowohl von kommunalen Wohnungsgesellschaften als auch von großen Bestandshaltern. Sie betont, dass ihr Unternehmen dazu beiträgt, friedliche Quartiere zu schaffen und sich um das Wohlbefinden der Bewohner:innen von Kindern bis Senioren zu kümmern. Anne Keilholz teilt die Erkenntnis, dass die Wohnungswirtschaft sozial, ökologisch und ökonomisch ausgewogen handeln muss, um erfolgreich zu sein.
“Grundsätzlich haben alle glaube ich inzwischen verstanden, dass Wohnen einen großen sozialen Aspekt hat.”
– Anne Keilholz
Die Suche nach Innovation in der Immobilienbranche ist entscheidend. Michél-Philipp fragt Anne nach ihrer wichtigsten Innovation. Anne zweifelt, ob die GAG-Mieter:innen-App noch als Innovation gilt. Die Diskussion konzentriert sich schließlich auf die Entwicklung einer Datenplattform für Energieverbrauchsdaten.
Die GAG Immobilien AG entwickelt die Plattform intern, um Kontrolle zu behalten und qualifizierte Mitarbeiter:innen zu nutzen. Der Wettbewerb um IT-Talente mit hohen Gehältern erschwert die Rekrutierung.
Flexible Arbeitszeiten und Homeoffice sind Teil ihres Angebots. Sie betonen Quartiersdenken und die Bedeutung sozialer Interaktion. Quartiersentwicklung ist in einigen Städten möglich, aber ein begrenzter Platz in Innenstädten ist eine Herausforderung.
Klimaschutz und Lebensqualität sind wichtige Aspekte bei der Stadtentwicklung. Automatisierung ist notwendig, um Effizienz zu steigern, aber junge Fachkräfte sind schwer zu halten.
Die Zukunft erfordert laut Anne Keilholz Zusammenarbeit zwischen Start-ups und etablierten Unternehmen.
Anne Keilholz erwartet eine herausfordernde Zukunft mit hohen Zinsen und Baukosten, hofft jedoch auf Fortschritte in nachhaltiger Technologie. Die Anpassungsfähigkeit der Branche wird entscheidend sein.
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