Markus Richthammer (Vorstand Industrie bei Firmengruppe Max Bögl) und Michél-Philipp Maruhn (Host & Founder DIGITALWERK)
October 3, 2023
In unserer Special-Folge des DIGITALWERK Podcasts, aufgenommen während der Autofahrt unseres Events “Construction meets Automotive” zum Porsche-Werk in Leipzig, spricht Michél-Philipp Maruhn mit Markus Richthammer, Vorstand Industrie bei der Firmengruppe Max Bögl. Markus' inspirierende Geschichte zeigt, wie eine ländliche Herkunft den Weg zu einer erfolgreichen Karriere in der Großstadt ebnet.
Markus Richthammer, aufgewachsen in einem kleinen Dorf mit nur 200 Einwohner:innen, lebt heute in München und erzählt, was ihn dazu bewogen hat, das beschauliche Dorfleben gegen die dynamische Großstadt einzutauschen. Für ihn sind vor allem das wertvolle Netzwerk, die Energie und die unzähligen Chancen, neue Menschen kennenzulernen und Inspiration zu finden, die die Großstadt ausmachen. Diese Faktoren haben nicht nur sein persönliches Wachstum, sondern auch seine Karriere maßgeblich beeinflusst.
Markus, Leiter des Forschungsbereichs Industrie bei Max Bögl, betont die Wichtigkeit des kontinuierlichen Wissensaustauschs und der Weiterentwicklung. Seine Verantwortungsbereiche erstrecken sich über Planung, Digitalisierung, Qualitätssicherung, Nachhaltigkeit und Qualitätsmanagement in der Unternehmensgruppe.
Seine Aufgabe ist es, innovative Ideen in seine tägliche Arbeit zu integrieren, um sowohl seine Kolleg:innen als auch die Branche zu inspirieren. Markus Richthammer teilt Einblicke in die vielfältigen Projekte von Max Bögl, von der Verarbeitung von Stahl für Bauprojekte bis zur Beteiligung an großen Infrastrukturprojekten für Kund:innen wie Amazon und Tesla. Dies umfasst Fabrikbauten, Windtürme und Straßenbau.
Max Bögl ist entschlossen, innovative Lösungen für die Zukunft der Energieversorgung zu entwickeln. Dies beinhaltet den Übergang von einer zentralen zu einer dezentralen Energieversorgung, um den Anforderungen der erneuerbaren Energien gerecht zu werden. Die Expertise des Unternehmens im Tiefbau und die Entwicklung standardisierter Prozesse spielen eine entscheidende Rolle bei der effizienten Stromübertragung in die Städte.
Markus Richthammer ist kein Unbekannter in der Welt der Prozessorientierung und Automatisierung. Mit 18 Jahren Erfahrung bei BMW und einem Studium im Maschinenbau mit Schwerpunkt Produktions- und Automatisierungstechnik bringt er einen wertvollen Erfahrungsschatz aus der Automotive Industrie mit. Doch wie hat er diese Erfahrungen auf die Bauindustrie übertragen?
Max Bögl und die Bauindustrie stehen vor vielfältigen Herausforderungen: Fachkräftemangel und steigende Komplexität der Bauprojekte erfordern verstärkte Qualitätsbemühungen.
Markus Richthammer erkannte diese Herausforderungen frühzeitig und setzte auf Industrialisierung und Automatisierung als Lösungsansätze. Seine langjährige Erfahrung in der Prozessorientierung half ihm dabei, standardisierte Projektabwicklungen und Qualitätsmanagement-Verfahren zu entwickeln, die speziell auf die Bedürfnisse der Bauindustrie zugeschnitten sind.
Ein zentraler Fokus lag auf der Einführung von Lean Management-Prinzipien. Lean Management zielt darauf ab, Verschwendung zu reduzieren, Prozesse zu optimieren und die Effizienz zu steigern. Dabei geht es nicht nur um die Anwendung von Methoden, sondern auch um die Qualifizierung der Mitarbeiter:innen, um diese Methoden erfolgreich in die Praxis umzusetzen.
Markus Richthammer und sein Team haben Schulungsprogramme entwickelt, um Mitarbeiter:innen in Methoden und praktischer Umsetzung zu schulen, und fördern so eine ganzheitliche Integration von Mensch und Technik zur Erzielung nachhaltiger Veränderungen in der Bauindustrie.
"Wir haben so einen Begriff, der heißt “Mensch und Technik”, wo wir so Schulungsprogramme haben, einerseits Methoden weiterzuentwickeln und die Menschen an diese Methoden ran zu bekommen und dann wiederum das Ganze in die Praxis überzuführen."
– Markus Richthammer
Die Bauindustrie muss unterschiedliche Gewerke und Fachplaner:innen zusammenführen, um komplexe Projekte zu realisieren. Markus Richthammer betont die Bedeutung einer offenen Fehlerkultur bei der Bewältigung von Problemen im Bauprozess.
In vielen Branchen, darunter auch im Automotive-Sektor, ist die Fehleranalyse und -behebung ein integraler Bestandteil des Qualitätsmanagements. Doch in der Bauindustrie war dies lange Zeit nicht selbstverständlich. Hier wird oft versucht, Fehler zu vertuschen oder zu rechtfertigen, anstatt sie anzuerkennen und Lösungen zu finden.
Markus Richthammer hat diese Haltung herausgefordert und eine Kultur der Fehlerakzeptanz und kontinuierlichen Verbesserung eingeführt. Sein Ansatz besteht darin, Fehler als Lernchance zu betrachten, um die Prozesse und die Qualität kontinuierlich zu optimieren. Dieser Schritt hin zu einer offenen Fehlerkultur ist ein wesentlicher Schritt, um die Qualität in der Bauindustrie zu steigern und effizienter zu arbeiten.
Ein weiterer entscheidender Faktor in Markus Richthammers Innovationsbemühungen ist das Qualitätsmanagement. Im Automotive-Bereich ist Qualitätsmanagement ein täglicher Begleiter. Hier geht es darum, die Qualität auf höchstem Niveau zu halten, Kundenfeedback zu analysieren und Produkte kontinuierlich zu verbessern. Dieses Prinzip hat Markus Richthammer auf die Bauindustrie übertragen.
"Was mich am meisten überrascht hat, ist, dass der Bau nicht so stark in Optimierungen denkt wie andere Branchen."
– Markus Richthammer
Für die Bauindustrie bedeutet dies, dass Qualitätsmanagement nicht nur eine Kontrollinstanz am Ende des Projekts ist, sondern in den gesamten Bauprozess integriert wird. Die Planungs- und Ausführungsphasen werden enger miteinander verknüpft, um Fehler frühzeitig zu erkennen und zu beheben. Dieser ganzheitliche Ansatz trägt dazu bei, dass die Qualität von Anfang an im Fokus steht und nicht erst am Ende des Projekts geprüft wird.
Markus hat sich intensiv mit dem Toyota Produktionssystem auseinandergesetzt. In den 90er Jahren war dieses System Meilen voraus, verglichen mit der deutschen Automobilindustrie. Doch wie gelang es Toyota und anderen japanischen Herstellern, solch innovative Konzepte in Deutschland zu etablieren?
Eine interessante Anekdote von Markus Richthammer zeigt, wie die japanische Kultur des Lernens und die kontinuierliche Verbesserung in die deutschen Automobilwerke Einzug hielt. Als junge Ingenieur:innen bei BMW begannen, die Produktion zu übernehmen, erwarteten die Japaner eine enge Verbindung zwischen Führung und Produktion. Die deutschen Werksleiter:innen mussten sich vor Ort bewegen, um die Prozesse zu verstehen und zu optimieren, anstatt im Büro zu sitzen. Diese Umstellung erforderte ein Umdenken und eine enge Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Abteilungen.
Markus Richthammer vergleicht diese Transformation mit einer Änderung der Taktik im Fußball. Früher spielte Deutschland mit einem ausgeprägten Libero, einem defensiven Spieler, während Japan das Prinzip der Viererkette bevorzugte, bei dem die Abwehrspieler im Raum agieren. Ähnlich wie im Fußball mussten auch die deutschen Automobilhersteller:innen lernen, in einer Viererkette zu spielen, indem sie Abstände und Prozesse im Detail definierten.
Eine wichtige Lehre aus dieser Erfahrung ist, dass es nicht ausreicht, Konzepte einfach zu kopieren. Die kulturellen Unterschiede zwischen den Hersteller:innen und Regionen erfordern eine Anpassung und die Schaffung eigener Lösungen. Deutschland hat seine Stärken in der Marke, der Verarbeitungsqualität und der Fahrzeugleistung, während andere Regionen wie China im Bereich Batterietechnologie und Digitalisierung führend sind.
Die Wahrnehmung von Autos variiert je nach Person. Einige sehen sie als Gebrauchsgegenstände, während andere die Leistung und Fahrdynamik schätzen. Dies spiegelt sich in den individuellen Vorlieben und Markenpräferenzen wider.
Markus betont die Bedeutung eines klaren Markenkerns für Bauunternehmen. Bei Max Bögl lautet ihre Strategie "Bau plus x". Dieser Ansatz hebt die Wurzeln des Unternehmens im Bauwesen hervor, das bereits 1929 von der dritten Generation der Familie gegründet wurde. Im Mittelpunkt steht der Bau selbst, wobei besonderer Wert auf Qualität und Präzision gelegt wird.
Die Analogie zum Automobilbereich zeigt sich in der Verbindung von Toleranzen aus dem Maschinenbau mit Beton. Max Bögl kombiniert Maschinenbau-Toleranzen mit Beton für Präzision in der Fertigteilfertigung. Dies ermöglicht Zehntelmillimetergenauigkeit bei Projekten wie der Magnetschwebebahn, Windtürmen und Modulen. Perfektes Zusammenfügen vor Ort ohne den Einsatz von altmodischen Werkzeugen Flex, Hammer oder Kelle.
Die Vision von Max Bögl besteht darin, hochpräzise Bauteile in der Vorfertigung herzustellen und diese mit Trockenfugen vor Ort zu montieren. Dieser Ansatz ermöglicht nicht nur eine höhere Effizienz, sondern auch eine bessere Qualitätssicherung, da die Bauteile bereits in der Fabrik auf Präzision geprüft werden.
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