Wolf-Dieter Adlhoch, CEO Dussmann Group (rechts) mit DIGITALWERK-Gründer und Podcast-Gastgeber Michél-Philipp Maruhn
November 8, 2022
Ein ganzes Haus, fünf Etagen, vollgepackt mit Kultur, mit Musik, Büchern, Filmen und gutem Essen – die Berliner kennen Dussmann als Kaufhaus in der Friedrichstraße, bekannt für Veranstaltungen mit jungen aufstrebenden Künstlern und der Möglichkeit hier seine eigene Schallplatte aufzunehmen. Ein Kulturkaufhaus – der Idee des Dussmann-Gründers Peter Dussmann und seiner Gattin entwachsen, mit dem Bestreben nach der deutschen Wiedervereinigung einen einzigartigen Ort der Begegnung zu schaffen. Dabei ist die Kulturstätte – das Business eines Kaufhauses – eine Nische im global betrachteten Dussmann-Kontext.
Der Konzern beschäftigt mehr als 67.000 Angestellte in 21 Ländern und verzeichnete zuletzt einen Jahresumsatz von 2,4 Milliarden Euro. Wolf-Dieter Adlhoch ist CEO der Dussmann Group. Innerhalb des Familienunternehmens zeichnet er sich für das deutsche Facility-Management-Geschäft und den Geschäftsbereich Dussmann Technical Solutions sowie die Bereiche IT, Personal, Kommunikation, Recht und Compliance verantwortlich. Den Plan, Vorstandsvorsitzender eines Imperiums zu werden, war nie sein Ziel – dennoch kam es im Jahr 2017 anders. Die Arbeit mit den Menschen, die Arbeit im Team, das Dirigieren, Moderieren und Gestalten treiben ihn an, sind sein Motor.
„Der große Umsatz und die große Anzahl der Mitarbeitenden kommt natürlich nicht zustande, weil wir die gesellschaftspolitisch wichtige Aufgabe wahrnehmen ein Kulturkaufhaus zu betreiben, sondern weil wir unseren Fokus auf erfolgreiches Facility Management und auf die Seniorenpflege setzen.“
Im historischen Kontext hat die Dussmann Group ihre Wurzeln in der klassischen Gebäudereinigung. Dann kamen die Sicherheitsdienste dazu, schließlich wurde der Cateringbereich aufgebaut, später das Geschäft mit der Gebäudetechnik. Inzwischen bietet der Konzern unter dem Schirm von „Dussmann Service“ mehr als 70 Einzeldienstleistungen rund um das Gebäude aus einer Hand an und deckt damit im Facility Management alle Kerngewerke ab. Daneben steht mit der Brand „Kursana“ die Seniorenpflege – ein rein deutsches, überaus florierendes Geschäft. Dussmann betreibt derzeit 116 Seniorenpflegeheime, in den Metropolen, auf dem Land, mit unterschiedlichen Formaten. Im Mittelpunkt steht die Pflege, wer es sich leisten kann, bucht den Luxus dazu. Der Synergieeffekt liegt auf der Hand: „Natürlich muss es auch jemanden geben, der das Haus in Schuss hält, der gut kochen kann, der die Wäsche macht. Die Berührungspunkte sind da, trotz der Unterschiede auf fachlicher Seite.“
Mit der Pandemie ist das Thema Hygiene und Sauberkeit in den Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion gerückt. Dem gegenüber steht das propagierte Schmuddel-Image der Branche. „Zu Unrecht“, sagt Wolf-Dieter Adlhoch. Dass eine Immobilie nachhaltig instand gehalten und gepflegt wird, dass diese ordentlich aussieht, ist nicht erst seit der Pandemie relevant.
Qualität kann jedoch nur durch Professionalität erreicht werden – und diese hat ihren Preis. Hinzu kommt, dass in Hinblick auf die Gebäudebewirtschaftung der Aspekt der Nachhaltigkeit in Verbindung mit Emissionsvermeidung bzw. -einsparung zunehmend wichtiger wird.
„Der Großteil der CO2-Emissionen einer Immobilie entsteht nicht beim Bau, sondern über den Lebenszyklus der Immobilie. Durch die aktuellen Ereignisse – durch den russischen Angriff auf die Ukraine – und die sich daraus resultierenden Fragen der Gasversorgung ist das Gesamtthema der Effizienz eines Gebäudebetriebes stark in den Fokus gerückt. Nachhaltiges Wirtschaften bedeutet alle Facilities effizient zu betreiben – das gilt für Produktionsstätten, für Fabriken, aber auch für Büro-, Gewerbe- und Wohnimmobilien.“
Am 23. Februar 2020 erklärte der italienische Regierungschef Giuseppe Conte die Region um Codogno zur „Zona Rossa“ und damit zum ersten Sperrgebiet in Europa. Fast ein Drittel aller Todesfälle in Zusammenhang mit dem Coronavirus in Italien wurden in der Region Lombardei nördlich von Mailand verzeichnet. Im Zentrum der Pandemie: das Krankenhaus in Bergamo, in dem Dussmann Service als verantwortlicher Dienstleister agiert. Seit Ende der 1960er-Jahre ist der Konzern vor allem im Facility Management Bereich aktiv in Italien und verzeichnet mehrere Tausend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort. Corona hat das Unternehmen direkt zu Beginn der Pandemie vor immense Herausforderungen gestellt.
„Wir haben rund um die Uhr im Mehrschichtbetrieb in der Klinik gearbeitet, wir haben eine weitere Kantine gebaut, um die Leute zu versorgen. Wir haben bei ohnehin hohen Reinigungs- und Hygienestandards nochmal die Sicherheitskonzepte angepasst, sodass alle im Vollschutz arbeiten konnten. Das ging nur, weil wir dezentral vor Ort beim Kunden unser Know-How eingesetzt haben, weil wir sofort Task Forces eingerichtet und uns dann über die Best Practises ausgetauscht haben“, verdeutlicht Wolf-Dieter Adlhoch.
Das Arbeiten am und mit dem Kunden und im Interesse der Kunden zeichne Dussmann aus – auf partnerschaftlicher Ebene, auch wenn das in Krisensituationen nicht immer „easy“ sei.
Dass jede Krise Entwicklung und damit verbunden Innovation befördert, zeigt sich auch bei Dussmann. Der Konzern nimmt seine unternehmerische Sozialverantwortung im Sinne des europäischen „Green Deals“ ernst, stellt sich Fragen wie „Wie lässt sich unser ökologischer Fußabdruck minimieren?“ und „Wie stellen wir ein sicheres und gesundheitsgerechtes Arbeitsumfeld her?“.
Die Umsetzung der ESG-Kriterien ist Arbeit und erfordert ein Umdenken. Wer sich mit Optimierung und Zielsetzung beschäftigt, braucht hierfür vor allem eins: Daten und den Mut, sich über mangelnde Erfahrungswerte hinwegzusetzen. Auch hier hilft Dussmann aus. Dort, wo Kunden keinen Datenbestand von Verbräuchen und dem eigenen Bestandsportfolio vorlegen können, ist Dussmann in der Lage, die technischen Anlagen der Kunden anzusteuern, um zum Beispiel Ineffizienzen auszulesen.
„Wir haben die Möglichkeit, Daten zusammenzuführen und cloudbasiert abzulegen und so integriert auswerten zu können. Natürlich können wir das nicht alleine. Wir brauchen Profis an unserer Seite, strategische Partner, die wir in ein Konzept integrieren, zum Beispiel unter den Sensorherstellern.“
Die mangelnde Heterogenität in den kundenseitigen Systemen zeigt vor allem eins: Es mangelt an branchen definierten Standards. Wolf-Dieter Adlhoch betont, dass sich das ändern müsse, um innerhalb der EU marktfähig sein zu können. Die Unternehmen müssten „in ähnlichen Logiken reporten“, Daten standardisiert zusammentragen, damit am Ende nicht Äpfel mit Birnen verglichen würden. „Hier liegt noch ein großer Weg vor uns. Wir starten gerade erste Pilotprojekte und stehen am Anfang einer langen und komplexen Reise.“ Mit Blick auf die Dussmann Group schaut der CEO auch auf den Reinigungsbereich.
„Wenn Büroflächen künftig anders und flexibler genutzt werden als heute, dann wird nicht jedes Büro jeden Morgen gereinigt. Wir denken an cleaning on demand, an einen softwarebasierten Reinigungsplan.“
Während Klimaaktivisten auf die Straße gehen, versuchen Konzerne wie die Dussmann Group aller Regulatorik-Unschärfen zum Trotz dynamisch Lösungen zu finden – ein Weg fernab von Egoismus, zukunftsorientiert langfristig und vor allem nachhaltig gedacht, mit der Mentalität zum Anpacken.
„Wenn ich erst das perfekte Konzept plane, brauche ich drei Jahre und habe nichts umgesetzt. Einfach mal mache, aber bitte strukturiert, mit realistischen Erwartungen und aus Beispielen lernen, was funktioniert.“
Europa stehe vor einer Zeitenwende. Die Effekte militärisch-politischer Ereignisse haben Negativeffekte auf den gesellschaftlichen Wohlstand. „Wir werden das alle deutlich spüren. Doch wenn wir alle gemeinsam auf die Innovationskraft und den Pioniergeist des Mittelstandes in Deutschland und Europa vertrauen und Lösungsangebote für eine dezentrale Energieerzeugung made in europe finden, schaffen wir die Basis, um wieder Wohlstand zu generieren.“
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Johannes Fütterer verrät im DIGITALWERK Podcast, wie er von seiner Promotion in der Gebäudesystemtechnik zur Gründung von Aedifion gekommen ist und was ihn dazu antreibt zur Dekarbonisierung von Gebäuden, Klimaneutralität und Umsetzung der ESG-Richtlinien beizutragen.
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