Matthias Jacob (Länderpräsident Deutschland, Implenia) rechts, Michél-Philipp Maruhn (Gründer und Host, DIGITALWERK Podcast) links
July 2, 2024
In jungen Jahren begann Matthias Jacob, Architektur und Bauingenieurwesen zu studieren, um sich schließlich doch auf letzteres zu konzentrieren. Er setzte dabei Schwerpunkte in den Bereichen Baubetrieb und Bauwirtschaft. Aktuell leitet Matthias seit 2019 als Deutschlandchef von Raunheim aus die Geschicke der Deutschland-Sparte des Schweizer Bau- und Immobilienunternehmens Implenia.
Vorher führt er 6 Jahre lang die Geschäfte des mittelständischen Familienunternehmens WOLFF & MÜLLER, davor war er lange für Bilfinger Hochbau tätig, welches 2017 von Implenia übernommen wurde. Im Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e. V. ist Matthias als Präsidiumsmitglied gleichzeitig Vizepräsident für Hochbau und vertritt die Interessen der Branche.
Die verschiedenen Divisionen von Implenia beschäftigen sich mit der Projektentwicklung, dem Hochbau, dem Civil Engineering und Spezialgebieten wie Fassadentechnik, Holzbau oder Baulogistik. In Deutschland ist Matthias operativ für den Hochbau zuständig. In diesem Bereich, in dem er die meiste Zeit seiner Karriere arbeitete, liegt auch seine Leidenschaft.
Dass Innovation im Bau mit den Baustoffen beginnt, ist für Matthias offensichtlich. Als größte Aufgabe sieht er aktuell die Herausforderung der Baubranche, Zement und Beton nicht nur als schlechte, klimaschädliche Baustoffe zu verteufeln, sondern gleichzeitig auch Innovationen zu entwickeln und umzusetzen, um Baustoffe zu verbessern. Der nachhaltigen und natürlichen Ressource Holz - so begrüßenswert ihre Verwendung ist - sind durch die reine Beschaffenheit Grenzen gesetzt. Obwohl es für viele Bauwerke Beispiele aus Holz gibt, wie zum Beispiel auch für Brücken, sind der Anwendung im Tunnel- oder Straßenbau sowie im Hochbau durch die Statik irgendwann Grenzen gesetzt.
Einen massiven Aufholbedarf sieht Matthias auch auf den Baustellen selbst, auf denen nach wie vor mehr vorproduzierte Elemente eingesetzt werden könnten. Beim seriellen oder modularen Bauen kann bereits die Nachhaltigkeit und die Rückbaubarkeit im Sinne des Recyclings mitgedacht werden. Matthias sieht es als kritisch an, dass das gängige Verkleben von Komponenten und Bauteilen letztendlich Abfallprodukte schafft, die auch zum Schluss niemandem mehr zur Verfügung stehen. Das einzuschränken und zu verhindern, wird eine Herausforderung.
“Ich finde es total spannend, obwohl ich jetzt schon ein paar Jahre auf dem Buckel habe und auch ein paar Berufsjahre, habe ich schon viel erlebt. Diese Diskussion wäre vor 20 Jahren, 15 Jahren absurd gewesen. Da hätte man gesagt: ‘Komm, hör auf zu spinnen, wir bauen so, wie wir immer gebaut haben’. Und die Situation ist jetzt eine völlig andere. Und es sind viele Firmen auch bereit, neu zu denken.”
- Matthias Jacob
Für wirklich zirkuläres Bauen ist geltendes Recht und Gesetz in Deutschland aktuell sehr restriktiv. Ausgebaute Produkte, wie beispielsweise Fenster, gelten automatisch als Abfall und können nicht ohne weiteres in anderen Projekten wiederverwendet werden. Der Eintritt in den zirkulären Kreislauf bleibt zurückgebauten Baumaterialien somit erst einmal verwehrt - wenn die ursprüngliche Montage überhaupt einen schadenfreien Rückbau ermöglicht.
Die Gesetzgebung auf EU-Ebene und in Deutschland müsste hier für mehr Rechtssicherheit sorgen, damit sich zirkuläres Bauen wirklich als Nachhaltigkeitsfaktor etablieren kann. Solche Positionen kann Matthias beispielsweise aus dem Hauptverband der Deutschen Bauindustrie heraus vertreten, der sich bemüht, auf Politiker zuzugehen und Branchenpositionen zu kommunizieren. Der jährliche Tag der Bauindustrie, der dieses Jahr am 05. Juni stattfand, war so eine Gelegenheit.
Für Matthias stehen Gesellschaft und Industrie aktuell vor noch nie dagewesenen Herausforderungen. Ein enormer Druck in der Wohnungsfrage, eine marode Infrastruktur, ungeklärte Fragen wie beispielsweise die der Zuwanderung, bei denen die Gesellschaft nicht im Einklang ist, ein Auseinanderdriften von Bevölkerungsgruppen in Folge der Krisenjahre der Corona-Pandemie - an gesellschaftlichen Mammutaufgaben mangelt es wirklich nicht.
Ein Quell nicht enden wollender Kopfschmerzen ist für die Bauindustrie sicher der Föderalismus, der 16 Bundesländer und Landesbauordnungen garantiert. Doch auch die Bewältigung der Klimakrise und das Erreichen von Nachhaltigkeitszielen erfordern ein konstruktives Miteinander, welches von und durch Innovationen geprägt sein muss.
“Es gibt ja so einen Spruch: Wenn sich nichts ändert, dann ändert sich alles. Und das wird sich dramatisch ändern, mit unserer Umwelt. Das ist deswegen eine so große Herausforderung!”
- Matthias Jacob
Für Matthias ist der Dialog aber immer wichtig, Fingerpointing empfindet er als hinderlich. Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie stellte im letzten Jahr beispielsweise ein Impulspapier vor, in dem ein CO₂-Schattenpreismodell in der Bauwirtschaft erforscht wurde. Beim Schattenpreis spielt die Bewertung des CO₂-Fußabdrucks eine Rolle. Der Gesamtpreis für Bauprojekte ist damit anders, berücksichtigt aber dafür den Einfluss von CO₂ als Klimaschädling.
Jetzt wünscht sich Matthias den Mut, dass man in Pilotprojekten Ausschreibungen startet, die dieses Modell auch anwenden. Wenn ihr mehr zu dem Schattenpreismodell erfahren möchtet, könnt ihr in unsere Podcastfolge zu dem Thema reinhören!
Trotz der Gegenwartsprobleme blickt Matthias zuversichtlich in die Zukunft und liefert einen spannenden Einblick in seine Erfahrung, die Mittelstand, Konzern und politische Verbandsarbeit vereint.
Für Matthias sind die drei brennendsten Themen der Gegenwart und der Zukunft im Bauen die Akzeptanz des CO₂-Fußabdrucks als Vergabe- und Baukriterium, das Thema des seriellen Bauens und das Vermeiden von Verschwendungen.
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