Sind Planer und Architekten bald arbeitslos?

January 15, 2025
Autor/in:
Anna Berger

Digitalisierung transformiert die Planungsbranche grundlegend. Was genau das für Architekt:innen in Zukunft bedeutet, erfahrt ihr hier

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Digitalisierung als Treiber des Wandels in der Planungsbranche

Die Planung von Gebäuden und Quartieren erlebt eine fundamentale Transformation. Digitale Technologien und künstliche Intelligenz (KI) definieren traditionelle Rollen von Planern und Architekten neu. 

Die bevorstehende Entwicklung löst bei so manchem vielleicht euphorische Gedanken aus, der Großteil der Menschen sieht der Zukunft aber eher mit Angst entgegen. 

Folgende Fragen tauchen immer häufiger in Diskussionen auf: Brauchen wir Planer und Architekten in Zukunft überhaupt noch? Welche Aufgaben und Tools müssen neu erlernt und welche traditionellen Denkmuster durchbrochen werden? 

  

Digitalisierung und KI als Innovationstreiber

Fest steht: dank moderner Tools können Planende heute schneller, präziser und nachhaltiger arbeiten als noch vor wenigen Jahren. CAD-Programme waren der erste Schritt, 3D Modelle der zweite und das digitale Gebäudemodell ist aktuell state oft the art - oder sollte es zumindest sein.

Und da sich der technische Fortschritt nicht verlangsamt, werden auch hier innovative Ansätze die Branche sicherlich voranbringen. Wer weiß, vielleicht wandern wir bald durch holografisch geplante Gebäude. Auch im Bereich VR/AR ist sicherlich einiges zu erwarten.

Lange wurde Digitalisierung oder KI in der Planung als Buzzword oder als Feindbild aufgebaut. Dabei prägen beide die Branche wie nie zuvor. Sie können dazu genutzt werden, Arbeitsweisen zu automatisieren, Planungsprozesse zu optimieren und neue kreative Möglichkeiten eröffnen. Planer können sich so verstärkt auf strategische und innovative Aufgaben konzentrieren.

KI-gestützte Effizienzsteigerung

KI übernimmt repetitive Aufgaben und entlastet Architekten, wodurch mehr Zeit für kreative Tätigkeiten bleibt.

Wie KI Prozesse verbessert:

  • Automatisierung von Routinetätigkeiten: Die Erstellung von Grundrissen, die Mengenermittlung oder statische Berechnungen erfolgen in Sekunden.
  • Simulationen: KI ermöglicht realitätsnahe Simulationen zur Ermittlung von Sonneneinstrahlung, Windverhalten oder Energieverbrauch und vereinfacht dadurch die Entscheidung für oder gegen entsprechende Ausführungsvarianten.
  • Designoptionen: Algorithmen generieren eine Vielzahl an Entwürfen, die auf Projektvorgaben basieren. Zwar muss man hier ein bisschen üben, was die Eingabe der richtigen “Prompts” angeht, doch schnell erhält man brauchbare Visualisierungen. 

Konkretes Beispiel für KI in der Planung:

Bei der Planung eines Stadions analysiert eine KI die optimale Dachform, um Regenwasser effizient abzuleiten und gleichzeitig Akustik und Belüftung zu verbessern.

Generatives Design: KI als Kreativitätsbooster

Mit generativem Design eröffnet KI völlig neue ästhetische und funktionale Möglichkeiten.

Wie es funktioniert:

  • Architekten definieren Parameter wie Budget, Material oder Statik.
  • KI erstellt automatisch zahllose Entwurfsvarianten.
  • Der Architekt bewertet und verfeinert die Vorschläge.

Beispiel:

  • Fassadengestaltung: Eine KI generiert ein Fassadendesign, das Licht optimal einlässt, dabei aber Überhitzung minimiert.
  • Brückenbau: Algorithmen entwerfen innovative Formen, die maximale Stabilität und minimalen Materialeinsatz kombinieren.

BIM - Von der Zeichnung zum digitalen Zwilling

In diesem Artikel soll es wirklich nicht um BIM – noch so ein Buzzword – gehen, denn das müsste mittlerweile jedem in der Bau- und Planungsbrache ein Begriff sein. Doch obwohl die Ansätze gut und durchdacht sind, fehlt weiterhin die nötige Durchschlagskraft für eine flächendeckende Anwendung der Technologie. 

Traditionelle Planungsprozesse, die einst auf Skizzen und Modellen aus Karton basierten, können heute dank Software so viel intelligenter, schneller und effizienter erstellt und weiterbearbeitet werden. Man muss sich also im Zusammenhang mit BIM fragen, warum das Anreichern von Zeichnungen mit zusätzlichen Informationen einfach nicht gelingt und zu einem neuen Standard wird. 

BIM ermöglicht eine zentrale Plattform, auf der Architekten, Ingenieure und Bauunternehmen gemeinsam ein virtuelles Gebäude erschaffen – den „digitalen Zwilling“. Durch die gemeinsame Arbeit an einem Modell entstehen weniger Fehler und Kollisionen können frühzeitig erkannt werden. Auch die BIM Spezialisierung könnte ein zukunftsfähiges Entwicklungsfeld für Planer sein.

Der Architekt als Gestalter smarter Lebensräume

Neben der Gebäudeplanung wird die Rolle des Architekten zunehmend zu einer strategischen Funktion, bei der es um nachhaltige und benutzerzentrierte Räume geht. Dabei entstehen Fokusfelder, die neue Chancen bieten und Leistungen, die abseits der Leistungsphasen nach HOAI abgerechnet werden können. 

Wichtige Schwerpunkte:

  • Nachhaltigkeit: In skandinavischen Ländern entstehen vermehrt Holzhochhäuser wie das „Mjøstårnet“ in Norwegen, welches als das höchste Holzgebäude der Welt gilt. Es reduziert den CO₂-Fußabdruck deutlich im Vergleich zu Stahl- oder Betongebäuden. Es braucht spezielle Kenntnis und ggf. sogar Ausbildungen, um ein Gebäude ganzheitlich nachhaltig planen zu können. Hier erschließt sich ein komplett neues Themengebiet für Planende. 

  • Digitalisierung: Gebäude wie „The Edge“ in Amsterdam sind mit Sensoren ausgestattet, die Licht, Temperatur und sogar Arbeitsplatzbelegung steuern – ein Vorbild für Smart-Home-Lösungen weltweit. Im Bereich Smart Home finden immer mehr Entwicklungen statt. Die integrative und intelligente Planung des Bedarfs kann für Planer ein zusätzliches Spezialisierungsgebiet sein. 

  • Soziales Design: Projekte wie die „High Line“ in New York zeigen, wie durchdachte Umnutzung und Gestaltung von Raum soziale Interaktion fördern und brachliegende Stadtflächen zu Gemeinschaftszentren transformiert werden können. Architekten und Planer müssen sich immer ganzheitlicher mit Gebäuden, ihrem städtischen Umfeld und ihrer Nutzung auseinandersetzen und dabei ethische sowie soziale Aspekte berücksichtigen. Oft stoßen Großbaustellen bei Anwohnern auf Kritik, weshalb es wichtig ist, empathisch auf Menschen zuzugehen und Ängste sowie Hoffnungen der Beteiligten in die Planungen mit einfließen zu lassen. Beteiligungsprozesse sind aufwendig, aber ebenfalls “Besondere Leistungen” nach HOAI und können zu einem höheren Honorar führen. 

Neue Geschäftsmodelle in der Planung

Die Digitalisierung, aber auch andere Entwicklungen im Bereich Immobilien und Bauen eröffnen Planern neue Möglichkeiten, über ihre bisherigen Tätigkeiten hinauszugehen. 

Neben der reinen Entwurfsarbeit gibt es immer mehr spezialisierte Geschäftsfelder:

  • Beratung für nachhaltige Bauprojekte: Architekten beraten Kommunen und Unternehmen bei der Realisierung umweltfreundlicher Projekte. Ein Beispiel ist die Planung von Plusenergiehäusern, die mehr Energie produzieren, als sie verbrauchen.

  • Produktentwicklung: Architekten entwickeln eigene Lösungen wie modulare Bauelemente oder intelligente Fassadensysteme. Planer sollten sich vor dem Prozess der Modularisierung nicht verschließen, sondern daran teilhaben und früh Einfluss nehmen, um eine hohe gestalterische Qualität gewährleisten zu können. 

  • Datenanalyse und Gebäudeoptimierung: Die Analyse des datengetriebenen Planens wird immer wichtiger, um effizientere Bauweisen zu schaffen. Dies könnte sich besonders in der Nachrüstung von Altbauten durch smarte Lüftungs- und Energiesysteme zeigen.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit als Erfolgsfaktor

Die moderne Architektur erfordert Kooperation über Fachgrenzen hinweg. Zunehmend verschmelzen verschiedene Disziplinen, um innovative und zukunftssichere Projekte zu realisieren.

Beispiele für interdisziplinäre Teams:

  • Ingenieure: Beim Bau des Burj Khalifa in Dubai mussten Architekten eng mit Ingenieuren zusammenarbeiten, um die Statik des höchsten Gebäudes der Welt zu sichern.

  • Informatiker: Projekte wie der Entwurf der „Alibaba Cloud City“ in Hangzhou beruhen auf der Integration von digitalen Plattformen zur Steuerung städtischer Infrastruktur.

  • Sozialwissenschaftler: Bei der Planung von Flüchtlingsunterkünften wurde mit Sozialwissenschaftlern kooperiert, um kulturelle und soziale Bedürfnisse in die Gestaltung einzubringen.

Chancen und Herausforderungen für Planer der Zukunft

Die Digitalisierung bietet enorme Chancen, bringt aber auch neue Herausforderungen:

  • Weiterbildung und lebenslanges Lernen: Planer müssen ständig auf dem neuesten Stand der Technik bleiben. Beispiel: Viele Universitäten bieten mittlerweile Kurse zu KI-Anwendungen in der Architektur und bei Bauprozessen an.

  • Datenschutz: In Smart Cities wie Songdo in Südkorea sind nahezu alle Gebäude vernetzt. Hier müssen Planer Lösungen finden, um sensible Nutzerdaten sicher zu verwalten.

  • Ethik: Architektur hat eine große soziale Verantwortung. Fragen, die beim Einsatz von KI in der Planung noch ungeklärt sind, lauten beispielsweise: Wer trägt die Verantwortung, wenn KI-generierte Designs fehlerhaft sind? Wem gehört die kreative Leistung?

Die neue Rolle von Planern in einer digitalen Ära

Die Zukunft von Planern liegt in einer Kombination aus Kreativität, Technologie und interdisziplinärer Zusammenarbeit. Dank neuer Werkzeuge können Planer und Architekten nicht nur effizienter arbeiten, sondern auch einen größeren gesellschaftlichen Beitrag leisten. Sie schaffen Gebäude, die flexibel, nachhaltig und auf die Bedürfnisse der Nutzer zugeschnitten sind.

Planer, die die Potenziale von KI und Digitalisierung nutzen, werden die Städte und Gebäude von morgen prägen.

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