Urban Mining: “Bergbau in der Stadt” als Zukunft des Bauens?

July 17, 2024
Autor/in:
Thomas Lippold

Die Ressourcen auf der Erde sind begrenzt, ihre Gewinnung und Herstellung ist aufwendig und oftmals klimaschädlich. Viele Rohstoffe und Materialien, die in Bauten und Bauteilen gebunden sind, können durch Rückbau und Recycling aber zurückgewonnen werden. In Heidelberg werden alte Gebäude der US-Armee abgerissen und recycelt.

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Die Rückgewinnung von Rohstoffen und Materialien aus bereits gebauten Gebäuden und Bauteilen kann eine wichtige Ressourcenquelle sein. Urban Mining versteht Gebäude und Baureste nicht vollständig als Abfall, sondern versucht, wertvolle Ressourcen und Materialien daraus wiederzugewinnen, um sie einer erneuten Verwendung - wie beispielsweise beim Bau - zuzuführen. Insofern werden Abrissgebäude oder relativ gut erhaltene, nicht mehr genutzte Objekte nicht als “Schrott” verstanden, sondern als explizite Stoffquelle. Urban Mining kann daher ein wichtiger Bestandteil einer effektiven Kreislaufwirtschaft in der Bauwirtschaft werden. 

Warum ist Urban Mining nötig?

Schätzungen zufolge findet sich auf deutschen Müllbergen mehr Eisen, als im Land innerhalb eines Jahres verbraucht wird. Das ist eine enorme Menge des Rohstoffs, der wieder in den Stoff- und Wirtschaftskreislauf integriert werden könnte. Für die Stadt Wien kam eine Analyse einmal zu dem Ergebnis, dass in einer 100 Quadratmeter großen Wohnung circa 7,5 Tonnen Metalle stecken. Auf jeden Wiener entfielen so im Schnitt ca. 4500 Kilogramm Eisen, 340 Kilogramm Aluminium, 200 Kilogramm Kupfer, 40 Kilogramm Zink und 210 Kilogramm Blei. 

Die Zahlen zeigen: das Potenzial zur Rückgewinnung dieser Ressourcen ist enorm, wenn man den Abriss nicht als Abriss betrachtet, sondern als Ausgangspunkt des Kreislaufs zur Wiedergewinnung. 

Spannendes Pilotprojekt der Stadt Heidelberg

Heidelberg startete im Jahr 2022 als erste europäische Stadt ein spannendes Pilotprojekt. Ziel ist es, den gesamten Gebäudebestand der Stadt in einem digitalen Materialkataster zu erfassen. Mit einem der weltweit größten Baustoffunternehmen, der HeidelbergCement AG, und dem Umweltberatungsinstitut EPEA holte sich die Stadt zwei tatkräftige und erfahrene Partner ins Boot. “Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung sind seit Jahrzehnten Kernthemen in Heidelberg. Es ist daher konsequent, dass wir jetzt auch unseren Gebäudebestand als Rohstofflager begreifen,” sagte Heidelbergs Erster Bürgermeister Jürgen Odszuck dem Heidelberger Stadtblatt.

Von der Geisterstadt zum nachhaltigen Stadtquartier

Das Patrick-Henry-Village ist eine vom US-Militär aufgegeben und verlassene Wohnsiedlung in Heidelberg. Auf dem gesamten Gelände wurden 465.884 Tonnen Material erfasst. Die Hälfte davon ist Beton, ein Fünftel sind Mauersteine und knapp 5 Prozent entfallen auf Metalle. Knapp die Hälfte der 169 Wohngebäude sollen abgerissen werden, die Baumaterialien sollen wiederverwendet werden. Auf 100 Hektar sollen hier Arbeitsplätze für 5000 Menschen und Wohnraum für bis zu 10.000 Menschen entstehen. 

Kaum ein Überblick über gebundene Materialien

Ein großes Hindernis ist aktuell noch die Tatsache, dass es keinen oder nur sehr schlechte Daten dazu gibt, welche Materialien und Rohstoffe welcher Art in welchen Gebäuden verbaut wurden - und wie viel. Dazu sind Projekte wie die in Heidelberg wichtig, die Pionierarbeit leisten, und als Vorreiter für andere deutsche Kommunen dienen könnten. 

Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur zirkulären Stadt wäre beispielsweise die zielgerichtete und flächendeckende Anwendung der “Building Information Modeling”-Methode (BIM), die Planung, Bau und Bewirtschaftung digital vernetzt, sodass eine synchronisierte Datenbasis für alle am Bauprozess Beteiligten Partner zur Verfügung steht.

Dabei eingepflegte und gesammelte Daten können auch Jahre später noch als Grundlage für Betrachtungen dienen, wenn sich die Frage stellt, welche Materialien in welcher Größenordnung verbaut wurden - und was im Falle eines Abrisses oder Rückbaus wieder gebraucht werden könnte. 

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