Fix genehmigt vor der Kommunalwahl
Es war sicherlich eines der prestigeträchtigsten in Planung befindlichen Hochhäuser in Frankfurt am Main der 90er Jahre.
Im ohnehin dicht besiedelten Bahnhofsviertel sollte der 300-Meter Riese aus Glas und Stahl errichtet werden. Zwei Tage vor den Kommunalwahlen 1989 versuchte dann ein CDU-Mann, mit einer Teilgenehmigung den Bau des Towers in die Wege zu leiten. Das sollte geschehen, bevor es zu einer Regierungsübernahme durch Hochhäusern weniger wohlgesinnten Parteien käme.
Hannelore Kraus bewegtes Leben
Doch er hatte die Rechnung ohne Hannelore Kraus gemacht. Die studierte Soziologin, die bei Adorno lernte, kam viel herum in ihrem Leben. Nach Studienaufenthalten in New York und Washington arbeitete sie als Entwicklungshelferin für die UN in China, Haiti, Nigeria und der Elfenbeinküste. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland eröffnete sie 1983 im elterlichen Haus in der Frankfurter Gutleutstraße eine Pension mit Fremdenzimmern.
Ein 300 Meter hoher Koloss aus Stahl und Beton
Genau im Gutleutviertel sollte dann 1989 auch das Mammutprojekt “Campanile” entstehen. Der Turm sollte 265 messen, mit Antenne sollten 300 Meter Gesamthöhe erreicht werden. Auch für das beim Hochhausbau umtriebige Frankfurt war das ein ambitionierter Plan mit Strahlkraft. Der letztendliche Bau des Towers hing allerdings von der Zustimmung aller Nachbarn ab. Die gab es auch größtenteils.
Frau Kraus ist dagegen. Auch 8 Millionen Mark helfen nicht
Und genau das war der Haken an der Sache, denn Hannelore Kraus weigerte sich, dem Bau zuzustimmen. Laut Baurecht war sie eine “betroffene Nachbarin”. Auch positive Baurechtsgutachten halfen nicht, sie umzustimmen, genauso wenig wie Millionenbeträge. „Zum Schluss haben sie mir acht Millionen Mark geboten, hier in meiner Küche,“ verriet Kraus in einem Gespräch mit der Frankfurter Rundschau im Jahr 2019.
“Sie kämpfte fürs Gutleut-Viertel” - Frankfurter Rundschau (https://www.fr.de/frankfurt/kaempfte-fuers-gutleut-viertel-11183722.html).
Auf rechtlich wackeligem Fundament geplant
Das Volumen des damaligen Bauprojekts wird heute mit 180 Millionen Mark beziffert. Die Höhe der Kraus angebotenen Abfindung zeigt auch, wie wichtig der Bau den Projektentwicklern damals war. Dabei wurden ohnehin die erteilten Teilgenehmigungen vom hessischen Verwaltungsgerichtshof als rechtswidrig erklärt, da die Zustimmung von Kraus fehlte.
Schlagabtausch bei Günther Jauch
Ihr ganzes Leben lang setzte sich Hannelore Kraus für Menschen ein, die ihr lieb und teuer waren, und kämpfte für Zwecke, die ihr etwas bedeuten, so auch für ihr geliebtes Gutleutviertel in Frankfurt. In der TV-Show “Na siehste” mit Günther Jauch 1989 saß Kraus einem Vertreter des Projektentwicklers gegenüber. Im knapp 9-minütigen Schlagabtausch wirft Kraus dem Bauherrn unter anderem vor, Bauaufträge zu früh vergeben zu haben, “ohne die Auflagen vorher erfüllt zu haben”.
50 Stunden sollen beide miteinander verhandelt haben, ohne finale Einigung. Und so ist der Commerzbank Tower mit 259 Metern, der 1997 fertiggestellt wurde, aktuell der höchste Turm Frankfurts.
Hannelore Kraus starb 2023 im Alter von 83 Jahren in Frankfurt. Mal sehen, ob nun bald ein neuer Anlauf für den Campanile Turm gemacht wird.