Wohnungsmangel in Deutschland: Lieber ab aufs Land?

August 28, 2024
Autor/in:
Thomas Lippold

Der Wohnungsmangel in Deutschland hält an, auch das Wohnungsziel der Bundesregierung scheint unerreichbar. Bundesbauministerin Klara Geywitz brachte jetzt den Rückzug aufs Land ins Gespräch. Dort stehen knapp zwei Millionen Wohnungen leer - Wohnraum, der Potenzial besitzt. Um das zu heben, braucht es aber vielerorts Investitionen.

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Die Wohnungsnot in Deutschland ist akut. Eine Studie zur Wohnungsnot in Deutschland der Hans Böckler Stiftung kam im Dezember 2023 zu dem Ergebnis, dass in deutschen Großstädten fast zwei Millionen günstige Wohnungen fehlen. Der Bedarf an günstigen, kleinen Wohnungen unter 45 Quadratmeter für Einpersonenhaushalte ist dabei mit 1,4 Millionen am größten. Am größten ist die Lücke erwartungsgemäß in den Großstädten Berlin, Hamburg und Köln.

400.000 neue Wohnungen gegen den Wohnraummangel in Deutschland - Ziel weit verfehlt

Ein selbst gestecktes und durchaus optimistisches Ziel der Bundesregierung gegen den Wohnraummangel ist nach wie vor der Bau von 400.000 Wohnungen pro Jahr - ein Ziel, von welchem Deutschland weit entfernt ist. Im vergangenen Jahr wurden 294.400 Wohnungen gebaut, die Zahl hat sich seit 2021 kaum verändert. Beachtet werden muss aber auch die lange Vorlaufzeit durch Planung und Bau. Waren Experten in der nahen Vergangenheit wenig optimistisch über steigende Baukosten und Zinsen, könnte der Tiefpunkt mittlerweile überwunden sein. Darauf deuten die leicht gestiegenen Preise für Wohnimmobilien hin.

Eine Lösung gegen den Wohnraummangel brachte Bundesbauministern Klara Geywitz vor kurzem selbst ein. In einem Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung versprach Geywitz eine Entschlackung der Baugesetze und prognostizierte, dass die Branche im nächsten Jahr wachsen werde. Sie führte weiterhin an, dass aktuell in Deutschland fast 2 Millionen Wohnungen leer stehen. Das steht in krassem Gegensatz zum fehlenden Wohnraum in Großstädten und Metropolen. 

Lieber ab aufs Land - attraktive Alternative oder Wunschvorstellung?

Gemeinsam „mit der Wissenschaft und anderen Ressorts“ sucht Geywitz nach eigenen Angaben aktuell nach Wegen, um diesen Leerstand zu nutzen. Kleine und mittelgroße Städte hätten viel Potenzial, da es auch dort Kitas, Schulen und Einkaufsmöglichkeiten und Ärzte gäbe, so Geywitz. Dennoch liegen die Nachteile ländlicher Regionen auf der Hand. Dass es einen guten Nahverkehr mit Bus und Bahn geben muss, um Menschen aufs Land zu locken, streitet auch Geywitz nicht ab.

Weiterhin setzt sie auf Digitalisierung und neue Arbeitsformen wie Co-Working. Vielerorts mangelt es dabei aber noch an entsprechender Infrastruktur. Modellkommunen, die sowas umsetzen, werden durch die Bundesregierung bereits unterstützt. Was die Corona-Krise der vergangenen Jahre gezeigt hat, ist, dass Digitalisierung und die Möglichkeit des Homeoffices für viele Menschen dennoch eine vielversprechende Alternative bieten. Für den November hat Geywitz ein Maßnahmenbündel angekündigt, eine konkrete Strategie, um den aktuellen Leerstand zu nutzen.

Was braucht es, um das Land als Wohnort attraktiver zu machen? 

Welche Maßnahmen diesbezüglich fruchten können, erforschte ein Paper (https://www.berlin-institut.org/fileadmin/Redaktion/Publikationen/Neu_im_Dorf_online.pdf) des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung mit dem Titel „Neu im Dorf: Wie der Zuzug das Leben auf dem Land verändert“ im Jahr 2023. Ein zukunftsorientierter Zuzug auf das Land muss Hand in Hand mit einer effektiven und bedarfsorientierten Stadtplanung einhergehen. 

Hierzu braucht es laut Forschern sehr präzise Datengrundlagen, die nicht nur von den Statistischen Landesämtern, sondern auch von den Einwohnermeldeämtern vor Ort kommen müssen. Kommunen, Verwaltungseinheiten und Bürgermeister untereinander können vom gegenseitigen Austausch profitieren. 

Weiterhin wird Klara Geywitz im November auch finanzielle Förderungen präsentieren müssen, die es kleineren Gemeinden ermöglichen, sich mit zielgerichteten Investitionen zukunftssicher aufzustellen. Die Forscher fanden heraus, dass viele gute Ideen häufig an Förderungen scheitern, weil auch die administrativen Hürden bei der Beantragung zu hoch sind.

Als ganz organische Hürde beim Umzug von der Stadt aufs Land identifizierten die Forscher auch die recht unterschiedlichen Lebenswelten. Das kleinere, familiäre Umfeld auf dem Dorf, geprägt vom Vereinsleben und dem unverbindlichen Austausch im Supermarkt, auf Festen und an Gartenzäunen kann für Städter mitunter befremdlich wirken. Eine generelle Verschlossenheit von Dorfbewohnern gegenüber Zugezogenen konnten die Forscher auf Ihren Reisen jedoch nicht feststellen. 

Ländliche Idylle allein reicht nicht aus, um Städter aufs Land zu locken

Fest steht, dass ländliche Räume und dortige Leerstände von Wohnraum definitiv ein Potenzial für die Lösung der anhaltenden Wohnraumnot darstellen. Aus diesem Grund allein zieht aber niemand aus der Stadt heraus. Es braucht attraktive Lebensbedingungen auf dem Land, dazu gehören eine gute Infrastruktur, öffentlicher Nahverkehr, selbstverständlich auch ein Internetanschluss und ein erfüllendes Angebot an Freizeit und Kultur.

Ob dieser Wandel gelingen wird, wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Dass die Politik den Kommunen aber unter die Arme greifen muss, scheint klar. Wie weit das Maßnahmenpaket vom Bauministerium im November gehen wird, bleibt abzuwarten. Dass das Dorf in Zukunft aber ein bisschen mehr Stadt werden muss, scheint sicher. Ob das umgekehrt auch gilt?

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