Simon Jagenow (rechts) mit DIGITALWERK-Gründer und Podcast-Gastgeber Michél-Philipp Maruhn
August 16, 2022
Heute leitet Simon Jagenow den Vorstandsbereichs der Geschäftsentwicklung im Bereich Digitalisierung von Züblin. Doch vor seiner Position in der Unternehmensspitze war ihm nicht immer bewusst, dass er ganz nach oben will. Durch seinen Großvater und seinen Bruder, die beide Maurer waren, ist er bereits mit 15 Jahren nach der Hauptschule auf die Baustelle gekommen und hat seine Lehre als Maurer begonnen. Als er 18 Jahre alt war, hatte er somit eine abgeschlossene Ausbildung und fing sehr früh an auf dem Bau zu arbeiten. Er merkte jedoch schnell, dass er nicht der geborene Handwerker war und fing an darüber nachzudenken, welche Prozesse auf der Baustelle optimiert werden könnten und wie die Arbeit effizienter gestaltet werden könnte.
“Ich war nicht der beste Maurer. Meine Stärken lagen schon immer bei der Organisation der Baustelle. Die Pläne lesen, vorbereiten und schauen, was wir am nächsten Tag machen. Das hat mir viel mehr Spaß gemacht als den Mörtel anzurühren.”
Er entschloss sich, seine Ausbildung fortzusetzen und über den zweiten Bildungsweg seine Mittlere Reife und sein Abitur nachzuholen. Da sein Abitur sehr technisch ausgelegt war, festigte sich sein Wunsch, Bauingenieurwesen zu studieren, was er im Anschluss auch anging. Simon hat in Konstanz seinen Bachelor mit konstruktivem Ingenieurbau als Vertiefung studiert und ist nach seinem Abschluss direkt zu Züblin gekommen. Als Bauleiter auf der Baustelle konnte er diesmal endlich das machen, was ihm am besten lag und kam bereits 2011 mit den Themen BIM und Digitalisierung des Baus in Berührung. Simon beschäftigte sich stets mit der Frage, wie man Prozesse optimieren und vereinfachen und Technologie dafür einsetzen kann. Zum einen war dies eine Fleißaufgabe, mit der er sich gern auseinandersetzte und zum anderen entstand dieser Gedanke aus einer gewissen Faulheit heraus.
"Ich war immer sehr in Technologie verliebt und wollte Dinge besser machen und Verschwendung vermeiden."
Züblin ist mit knapp 7.000 Mitarbeitern und über € 3 Milliarden Umsatz kein kleines Unternehmen. Die Digitalstrategie muss daher einheitlich aufgesetzt werden. Simon erzählt im DIGITALWERK Podcast, dass Züblin schon immer sehr innovativ war und Technologien wie BIM frühzeitig eingesetzt hat. Meistens wurden diese digitalen Innovationen jedoch nur auf Projektbasis umgesetzt und nicht strategisch zentralisiert. Der CEO der Strabag, der Konzernmutter von Züblin, hat vor einigen Jahren jedoch eine zentrale Digitalstrategie aufgebaut, die neben ihm von der zentralen Einheit Innovation und Digitalisierung mitentwickelt wurde. Grundsätzliche Fragestellungen wie “Wie gehen wir mit Daten um und schaffen Bewusstsein für Daten?”, “Wie bewerten wir den Geschäftswert von Daten und wie gehen wir mit Datenfluss um?” waren bei der Entwicklung der Strategie von großer Bedeutung.
“Wir setzen in unserer Digitalstrategie auf Softwares mit offener API und schauen, dass wir die wichtigsten Daten mit Data Places sammeln und auswertbar machen.''
Auf diesen Gedanken aufbauend ist das Hauptziel Prozesse zu digitalisieren und dabei einzelne Prozesse zu bewerten und in der Digitalisierung zu priorisieren. Es wird entschieden, welche Prozesse dringend digital gestaltet werden sollten und bei welchen Prozessen es sich derzeit noch nicht lohnt, diese digital abzubilden. Gründe hierfür können vielfältig sein, doch meistens ergibt eine Digitalisierung noch nicht den gewünschten Mehrwert und bedarf einen zu hohen Aufwand, der nicht gerechtfertigt werden kann. Die Bewertung der Business Cases erfolgt in einem Standardprozess und wird nach harten Erfolgsfaktoren wie KPIs als auch nach weichen Kriterien wie die Erhöhung der Prozesstransparenz oder die Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit durch eine Entlastung gemessen. Auf diese zwei Grundsteinen wurden Fachstrategien zu den Themen BIM, Disziplin und Nachhaltigkeit aufgebaut.
“Es geht darum, die gesamte Organisation zu verändern. Die große Herausforderung ist es, die Technologien, die uns zur Verfügung stehen, in Häppchen in die Organisation zu bringen, um eine so große Organisation zu verändern und für die Zukunft auszurichten.”
Es sind viele kleine Faktoren, die bei der sukzessiven Digitalisierung von Züblin eine Rolle spielen und beachtet werden müssen. Ein Großteil der Prozesse wird mit Nachunternehmen und eigenem gewerblichen Personal abgedeckt, welche daher auch in die Prozesse eingebunden werden. Simon erklärt im DIGITALWERK Podcast, dass es nicht reicht, die Prozesse nur bis zur Unternehmensgrenze zu digitalisieren. Die Subunternehmer von Züblin sollen auch von der Digitalisierung profitieren und die etablierten Tools und digitalen Werkzeuge benutzen, um effektiv zu arbeiten. Nur durch die digitale Abbildung und Einbindung aller Schritte und Bausteine kann der Prozess letztlich effizienter werden.
“Wir legen uns für definierte Anwendungsfälle fest, die auf allen unseren Baustellen ablaufen und entscheiden uns für das digitale Werkzeug unserer Wahl. Abweichungen davon sind erstmal unzulässig oder nur im Ausnahmefall zu genehmigen, um dieses Tool zu etablieren und die Vorteile zu nutzen.”
Durch die Einbindung der Nachunternehmer haben diese auch Einblick in den gesamten Prozess und Ablauf eines Bauprojekts und wissen über jeden Schritt zu jeder Zeit Bescheid. Sie erhalten Checklisten, mit denen sie den Bauprozess überprüfen können und die Dokumentation vereinfachen. Für die digitale Umsetzung der Dokumentation arbeitet Züblin mit der Software von Dialogs zusammen, weil diese eine hohe Akzeptanz beim Baustellenpersonal erreicht hat und sich gut etabliert. Simon erzählt, dass es nicht darum geht, ein Tool zu finden, welches am technologisch am besten ist, sondern die höchste Akzeptanz in der Anwendung aufweist. Da sie bei Züblin auch nur mit Softwares arbeiten, die einen offenen API Ansatz haben, vermeiden sie die Entstehung von Datensilos und können ihr System an andere Systeme anschließen. So ist es zum Beispiel möglich, das System von Züblin auch mit den ERP-Systemen von Herstellern zu verbinden und an die API-Schnittstellen anzuschließen.
Simon findet Geschäftsmodelle wie die von Gropyus sehr spannend, weil sie gegenwärtige Wettbewerber von Züblin sind und im gleichen Markt zusammenarbeiten. Er empfindet den Wettbewerb als positiv und schaut sich gerne deren Ansatz an, um für Züblin daraus zu lernen. Als großer Konzern wie Züblin weiß Simon jedoch auch, dass gewisse Umsetzungen länger dauern als bei einem Startup. Daher konzentriert er sich auf die Stärken von Züblin und ist gewillt, mit der Zeit mitzugehen, um die digitale Veränderung mitzugestalten.
“Ich glaube, man hat diese Branche und die Chance, die da jetzt entsteht unterschätzt. Wir haben eine ultra fragmentierte Branche und diese ist so nicht zukunftsfähig oder effizient.”
Aus diesem Grund sieht Simon auch eine große Erfolgschance bei Gropyus und ist auf die weitere Entwicklung gespannt. Er gibt zudem zu, dass die Veränderung der Customer Journey von einem Generalunternehmen viele neue Ansätze bedarf. Diese Umstellung auf Basis eines bestehenden Geschäftsmodells durchzuführen, ist herausfordernd. Firmen wie Gropyus haben mit ihrem ganzheitlichen Ansatz die Chance, diese Customer Journey komplett neu zu denken. Für Züblin bedeutet das, dass gewisse Prozesse zumindest bei privaten Auftraggebern in einer ähnlichen Form umgesetzt werden und hieran zukünftig weiter gearbeitet wird.
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