Matthias Schneider, CDO fisher group (rechts) mit DIGITALWERK-Gründer und Podcast-Gastgeber Michél-Philipp Maruhn
November 22, 2022
Matthias Schneider ist gerade einmal Mitte 30 und doch gehört sein Name im Bereich digitaler Transformationsstrategien auf der Expertenliste nach ganz oben. Der studierte Wirtschaftsinformatiker ist derzeit in mehrere internationale digitale Strategie-Projekte involviert.
In der Unternehmensgruppe fischer zeichnet er sich als Chief Digital Officer (CDO) in allen Bereichen für die Digitalisierung verantwortlich, darunter auch der fischer InnovationsCampus. Matthias Schneider war schon immer im B2B Digital Commerce zuhause, beschäftigt sich mit Plattformen, Softwareentwicklung und interessanten, vielversprechenden Start-ups, in deren Kooperation bereits beeindruckende Erfindungen und Geschäftsmodelle entstanden sind.
Seine Karriere bei der fischer groupbegann 2017. Zunächst als Leiter der E-Commerce-Abteilung mit der Aufgabe, das Geschäftsmodell so zu transformieren, dass es für digitale Portale funktioniert, auch im Hinblick auf den Aufbau von Beratungslösungen für die Kunden. Den Geschäftsführer-Posten nahm er 2020 an, nachdem 2019 der Bedarf stieg, das Thema Digitalisierung und digitale Innovation ganzheitlich anzugehen und die fischer group dahingehend um neue Geschäftsmodelle mit digitalem Fokus zu erweitern.
Die fischer group hat sich als Anbieter von längsnahtgeschweißten Edelstahlrohren und -bauteilen profiliert. Produziert wird inzwischen in acht Ländern, mit den in Deutschland entwickelten Maschinen, Werkzeugen und Herstellungsverfahren. Darüber hinaus spezialisiert sich das familiengeführte Unternehmen, dessen Erfolgsgeschichte auf eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Kunden, Lieferanten und Dienstleistern beruht, auf Innovation und Entwicklung, insbesondere im Bereich hochleistungsfähiger Batterie-Speicherlösungen.
Daneben beliefert der Konzern die Automobilbranche mit Interieur, hat mit der Fischertechnik eine Division im Bereich Spielwaren und eine Consulting-Abteilung aufgebaut. Das Spielzeuggeschäft ist dabei einer Weihnachtsgeschenk-Idee für die Kunden in den 1960er-Jahren entwachsen – mit dem Ansatz die Kinder der Kunden glücklich zu machen. Weihnachten war die Geburtsstunde von Fischertechnik. Die Begeisterung war so groß, dass sich daraus das neue Geschäftsmodell entwickelt hat.
2022 war für die fischer group ein besonderes Jahr: Der Konzern ist gewachsen und zählt mittlerweile 5.400 Mitarbeitende. Zeitgleich wurde erstmals in der Unternehmensgeschichte die Milliarde Umsatz überschritten. Dabei hat alles mit einem Dübel begonnen. Die Befestigungstechnik, das Kerngeschäft der fischer group, nimmt in der Bauwirtschaft einen hohen Stellenwert ein, zum Beispiel im Zusammenhang mit Fassadenbefestigungen oder Installationssystemen für Rohrleitungen. Auch hier zeigen sich digitale Trends: Noch vor dem ersten Spatenstich für ein Gebäude wird es in einem BIM-Modell visualisiert, inklusive Installationssysteme. Für die Umsetzung bedeutet das: Effektivität und Präzision. Was geplant wird, funktioniert.
Fehlerhafte Prozesse führen dazu, dass die Baubranche mit dem Verschwendungs-Stigma konfrontiert wird.
„40 Prozent der Arbeit ist nicht wertschöpfend. In 40 Prozent müssen Fehler korrigiert, in 40 Prozent muss nachgearbeitet werden. 40 Prozent ist Verschwendung. Doch da steckt ein Riesenpotential drin.”
2018 hat die fischer group als Antwort auf diesen Umstand das Start-up „Craftnote“ gegründet, das im Bereich Projektmanagement für die Dokumentation von Daten auf der Baustelle tätig ist. Die Ausgangslage während der Datenermittlung zeigte, dass die Dokumentation der Prozesse auf der Baustelle bis dato maximal mangelhaft auf Papier erfolgte, sodass die Abhandlungen bereits nach kürzester Zeit nicht mehr nachvollziehbar waren. „Craftnote“ hat sich vor allem im Bereich der kleinen und mittelständischen Handwerksunternehmen als erfolgreiche Plattform mit mehr als 10.000 zahlenden Kunden etabliert.
Vier Jahre später beteiligte sich die fischer group wieder an einem Start-up: an „Baubot“, einem Unternehmen, das Roboter für die Baustelle herstellt und damit ein Meilenstein in der Branche setzt. Die wahr gewordene Vision: Ein Roboter, der bohren und dübeln kann, um den Handwerker auf diesem Weg ein Stück weit zu entlasten, damit dieser sich auf die Wertschöpfung konzentrieren kann. Die teils körperlich anstrengende Arbeit wird von dem „Baubot“ übernommen.
Doch wie sieht dieser Roboter aus? Er ist 1,2 Tonnen schwer, mit zweieinhalb Meter langen Roboterarmen und der Möglichkeit sich bis auf fünf Meter in die Höhe zu strecken, um an Decken und Wänden arbeiten zu können. Der Roboter ist nicht für die Anwendung im Einfamilienhaus konzipiert, um dort beispielsweise ein Bild an die Wand zu hängen, sondern für große Infrastrukturprojekte, beispielsweise im Tunnelbau, wo auf zehn Kilometer Strecke in regelmäßigen Abständen 15 Löcher gebohrt werden müssen. Für das Einfamilienhaus gibt es den Roboter zunächst nur als Spielzeug-Werbegeschenk aus der Fischertechnik-Sparte.
„Wir haben uns bewusst jetzt erst an das Thema herangetraut. Für uns ist das klare Ziel, dass der Roboter auch autonom agieren kann. Das heißt, er muss eine gewisse Intelligenz haben, damit er auf der Baustelle auf nicht planbare Ereignisse reagieren kann, denn Abweichungen gibt es immer. Zeitgleich muss die Roboterprogrammierung für die Baustelle schnell gehen. Schließlich sprechen wir vom digitalen Fortschritt, von Visionen wie Machine Learning.”
Die Technik hat sich in den letzten fünf Jahren rasant entwickelt. In Sachen Robotik bietet die fischer group einen Full Service an – von der Datenaufnahme im Vorfeld bis zur Ausübung der gewünschten Leistung. Am Ende bekommt der Kunde eine Dokumentation von der Arbeit. Zusätzlich wird der Schwerpunkt auf die Entwicklung weiterer Applikationen gesetzt – als modulares System, damit am Ende des Tages nicht jeder seinen eigenen Roboter besitzen muss.
Die fischer group wartet auch hier mit Veröffentlichungen auf – mit einem Dübel und einer Unterlegscheibe, die mit Sensorik ausgestattet wurden. Sensor Anchor oder Sensor Disc heißen die Produkte, die darauf abzielen, Daten von Bauwerken zu sammeln. Diese Daten werden in der eigens dafür entwickelten My Fischer Cloud gespeichert, wo sie analysiert, ausgewertet und mit der Norm abgeglichen werden. Wenn ein Schwellwert Abweichungen aufweist, wird der Kunde informiert. Im Zusammenhang mit Sanierungs- und Instandhaltungsprojekten sowie Wartungsarbeiten steht das Thema ganz oben auf der Agenda, auch in Anbetracht der Langlebigkeit von Bauwerken: Umso früher ein Schaden an einem Bauwerk detektiert wird, umso früher kann dieser behoben werden und umso günstiger wird die Baumaßnahme.
Als Matthias Schneider 2017 zur fischer group wechselte, nahm das Unternehmen jede Menge Geld für die Datenaufbereitung und den Aufbau eines Qualitätsprüfsystems in die Hand, dem mehr als 200 Regeln zugrunde liegen. Wenn die Daten nicht vollständig sind oder nicht den Regeln entsprechen, werden diese korrigiert. Ein Produkt wird erst veröffentlicht, wenn dieses den internen golden Rekordstand erreicht hat. Darüber thront der Kunde, der Individualität erwartet.
„Befestigung ist ein sehr beratungsintensiver Bereich, der durch Zulassungen, Normen und Richtlinien, an die es sich zu halten gilt, eine gewisse Komplexität aufweist. Am Ende geht es schließlich auch um Leib und Leben.“
Doch auch hier war die fischer group in der Vergangenheit digital aktiv, hat digitale Berater aufgesetzt. Hat der Handwerker ein Anwendungsproblem, entwickelt der Konzern aus Preisleistungsgesichtspunkten individuelle Produktlösungen. Im Hintergrund stehen entwickelte Algorithmen, die dem Kunden aufzeigen, welches Produkt für ihn und seine Anforderungen am geeignetsten und kosteneffektivsten ist. Wer das wachsende Geschäft beherrschen will, muss vorne mit dabei sein – und zwar digital mit Matthias Schneider.
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