Patrick Hellermann (rechts) mit DIGITALWERK-Gründer und Podcast-Gastgeber Michél-Philipp Maruhn
February 15, 2022
Patrick Hellermann, General Partner bei Foundamental, war nicht von Anfang an als Investor im Bausektor bekannt. Vor seiner Venture Capital Karriere hat Patrick einige Stationen in verschiedenen Corporates absolviert.Sein Weg führte ihn von einer M&A Boutique während der ersten Solar- und Windkonsolidierung zu strategischen Innovations- und Investmentthemen bei Eon bis hin zu Venture Aktivitäten bei Thyssenkrupp, bevor er 2018 seine zwei Partner kennenlernte, mit denen er Foundamental gründete. Foundamental investiert ausschließlich in technologische Geschäftsmodelle, die den Bau, die Renovierung,den Abbau und die Infrastruktur von Gebäuden im Bausektor adressieren. Häufig inkludiert das Logistik-, Lieferketten- und Marktplatzthemen. 20 Prozent der globalen Investments fließen nach Europa in frühphasige Startups, während die restlichen 80 Prozent in Asien und Nordamerika investiert werden. Der Name„Foundamental“ soll dabei die Mission von dem Wagniskapitalfond betonen.
„Wir wollen gute Partner für Gründer sein, daher sind wir „Founder“-fokussiert und wir versuchen tief in die Prozesse und Themen, also in die Substanz einzusteigen und agieren nicht generisch.“
Eine berechtigte Frage, findet Patrick lachend. Tatsächlich wurden die drei Partner, die zuvor alle keine Berührungspunkte mit der Baubranche hatten, auf den Bausektor aufmerksam gemacht. Zwar kamen Patricks Partner, Shub Bhattacharya und Adam Zobler beide aus dem Venture Capital Bereich und kannten sich generell im Wagniskapitalbereich aus, doch Hintergrundwissen zum Bausektor fehlte ihnen. Shub war vorher bei Indiens führendem Seed Fund Kae Capital und kümmert sich heute um Investments im asiatischen Markt. Sein Partner Adam war vor Foundamental Partner bei G Squared, ein Fond an der amerikanischen West Coast, der frühphasig in bekannte Startups wie Spotify, Uber und Liftinvestiert hat. Adam kümmert sich bei Foundamental um den nordamerikanischen Markt und Patrick übernimmt Investments im europäischen und lateinamerikanischen Markt.
Zu dem Zeitpunkt, als die Idee zur Gründung von Foundamental an die drei Partner herangetragen wurde, war die Entwicklung der Investments in den Bausektor sehr spannend. Bis zum Anfang 2018 wurden im Bausektor insgesamt USD 5 Mrd. Wagniskapital investiert. „Das ist sehr früh in einem Sektor, aber nicht mehr enorm früh. Wir haben beobachtet, dass die Reise von 5bis 10 Mrd. Wagniskapital Investments in einem B2B-Sektor meist nicht länger als zwei bis drei Jahre dauert. Der Bausektor befand sich damals in dem sogenannten Inflektionspunkt, der viel Potential aufzeigt und das fanden wir vom Timing her sehr spannend.“ Großes Wachstum hat sich im Bausektor bewahrheitet, denn mittlerweile sind bis zu USD 18 Mrd. an Investments in den Bausektor geflossen.
Um diese Frage adäquat zu beantworten, muss man den Bausektor in zwei Bereiche aufteilen, da es große Unterschiede zwischen den Schwellenländermärkten und gewachsenen Märkten gibt. In den Schwellenländermärkten wie Asien, Südostasien und Lateinamerika sind die Grundvoraussetzungen im Verhältnis zu den etablierten Märkten sehr schlecht. Dain diesen Märkten bislang keine Prozessinfrastruktur aufgebaut wurde, kommt es häufig zu Logistikproblemen. Baumaterialien werden entweder stark verspätet oder gar nicht geliefert werden, wobei die Logistikkosten ungefähr 20 Prozent der Baustoffkosten ausmachen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass man als Gründer dieses Innovationspotential ausschöpfen kann und in Schwellenländern gute Chancen hat, neue Modelle aufzubauen, ohne bestehende, komplexe Strukturen aufbrechen zu müssen. Typische Geschäftsmodelle im Bausektor entstehen dort hauptsächlich in den Bereichen der Beschaffung, Logistik und Finanzierung. In den etablierten westlichen Märkten kann man als Gründer hingegen mit Softwaremodellen punkten, was in den Schwellenländern bis dato kaum monetarisierbar ist. Vorreiter im Construction Tech (ConTech) Bereich ist jedoch kein westlicher Markt, sondern eindeutig Indien mit vier Unicorn Startups, also einer Marktbewertung von über USD 1 Mrd., in den vergangenen Jahren.
Für Foundamental VC hätte das Jahr 2022 nicht besser starten können. Das Startup Tül, welches bereits eines ihrer Portfoliounternehmen war,hat Anfang des Jahres eine sogenannte „Mega Round“ mit USD 181 Mio. Wagniskapital abgeschlossen. Neben Foundamental haben weitere renommierte Investoren wie Avenir, Coatue, Tiger Global und Lightrock in das Construction Tech Startup aus Kolumbien investiert. Solche Finanzierungsrunden sind in Deutschland im Bausektor noch eher selten – nur wenige Startups sind mit über USD 50 Mio. finanziert. Was dieses Investment darüber hinaus so besonders macht, sind die folgenden Fakten: Tül ist mit seinem Geschäftsmodell nicht nur Category Leader in ganz Lateinamerika, sondern wird als eines der am schnellsten wachsenden Marktplatz-Startups weltweit angesehen. Dabei wurde das junge Unternehmen erst Anfang 2020 gegründet und ist im darauffolgenden Mai 2020 an den Markt gegangen.
Tül hat die Lücke der fehlenden Großhandelsstrukturen in Lateinamerika erkannt und begann als Großhändler für dezentrale Baufachmärkte. Zwar gab es bereits etablierte und fragmentierte lokale Baufachmärkte,sogenannte Hardware Shops, sowie eine Kundenstruktur, doch alle Bauprodukte mussten vor Tül direkt bei den Herstellern eingekauft werden. Es gab weder gute Konditionen noch die Möglichkeit der Vorfinanzierung. Auch die Logistik stellte eine große Problematik dar, da die Belieferung der fragmentierten Hardware Shops durch die Hersteller nicht reibungslos funktionierte. Tül hat sich daher als digitaler Großhändler aufgestellt, bietet den Hardware Shops Services wie Vorfinanzierung, Dropshipping mit eigenen Lagerhäusern sowie gute Konditionen an und überwindet somit viele Herausforderungen gleichzeitig.
Patrick ist davon überzeugt, dass zukünftig auch in Europa mehr solcher großen Finanzierungsrunden zu sehen sind. Er fügt jedoch auch hinzu, dass die Größenordnung der Finanzierungsrunden nicht ohne Substanz stattfinden. Im Beispiel Tül hatte das Unternehmen zum Abschluss der Mega Round bereits mehrere USD 100 Mio. Jahresumsatz. „Europa befindet sich ein bis zwei Zyklen hinter Asien und auch ein bisschen hinter Nordamerika. Der Bausektor ist ein spannender Markt, der immer attraktiver für Gründer und von exzellenten Gründerteams in Europa entdeckt wird.“ Auch Investoren lernen langsam immer mehr über diesen Markt und können erarbeitete Learnings aus den ersten beiden Zyklen der Wagniskapitalentwicklung in dem Bausektor im jetzigen dritten Zyklus zur Anwendung bringen. Auch wenn es keine exakte Methode zur Quantifizierung der Investmentzyklen gibt, so ist Patricks Gefühl, dass sich die Zyklen im Laufe der Zeit verkürzen. So fing der erste Zyklus im Bausektor mit dem 3D-Druck in 2013 an und wurde in 2017 durch den zweiten Zyklus mit SaaS Modellen beendet. Große Projektmanagement Softwarelösungen wie diese von Planradar in Deutschland etablierten sich und veränderten den Bausektor. Der jetzige dritte Zyklus wird sich hauptsächlich auf transaktionale Themen wie Marktplatz oder Beschaffungsmethoden fokussieren.
Oft stellt sich für Gründer die Frage, welche Investoren zu verschiedenen Zeitpunkten sinnvoll sind und wie man den richtigen Investor findet. Eine goldene Regel gibt es jedoch nicht, erzählt Patrick. Die Zusammenarbeit von Gründern und Investoren und die Auswahl der am ehesten geeigneten Investoren ist sehr kontextabhängig. Foundamental bevorzugt eher klassische Syndikate. Klassische bedeutet in diesem Fall, dass die Zusammensetzung aus Investoren bei einer Finanzierungsrunde neben Foundamental als spezifischen Fond für den Bausektor auch ein traditioneller Investor, der den Bausektor tiefgründig kennt, sowie ein Generalist, der viele verschiedene Themen bearbeitet mit investiert. Falls dann darüber hinaus noch Business Angels ihren Platz in der Finanzierungsrunde finden, stellt dies für Patrick eine gute Aufstellung dar.
„Aber auch ein strategischer Partner hat seine Berechtigung und kann bei einer Finanzierungsrunde vorteilhaft sein. Manchmal gibt es sogar Kontexte, bei denen es sinnvoller ist, zuerst den Strategen dabei zu haben, das ich dieser viel besser auskennt und ein Verständnis hat, welches Investoren gerade bei ganz neuen und jungen Themen nicht hat.“
Foundamental VC folgt dem Kredo: „Underpromise, overdeliver". Hinter Foundamental stehen diverse Familien und Operators aus dem Bausektor. Auch wenn Foundamental nicht verspricht, die Gründerteams mit diesem Netzwerk zu vernetzen, passiert es dennoch häufiger, dass es zu Synergien kommt. Dennoch unterstützt Foundamental eher Gründer, die sich nicht auf ihre Investoren verlassen, um Kunden zu akquirieren. Wenn ein Startup nämlich den eigenen Investor braucht, um Kundenakquise zu betreiben, läuft meistens bereits im Grundsatz etwas falsch.
Foundamentals Mehrwert besteht viel eher daraus, dass Gründer einen Investor bekommen, der als weltweit etablierteste Fond für den Bausektor eine gewisse Signalwirkung in die Kapitalmärkte für die Folgerunden geben kann. Foundamental greift auf ein globales komplementäres Netzwerk zu vielen generalistischen Investoren zurück, unter anderem zu den bekanntesten US-Investoren,die immer häufiger bei Investments in Europa mitwirken. Außerdem hat der Fond ein großes Netzwerk im Bausektor, welches den Startups guten Zugang zu Kompetenz und einen Austausch mit Vorstandsebenen von Bauunternehmen ermöglicht.
Im Vergleich zu generalistischen Investoren, die den Bausektor und die dazugehörigen Modelle nicht verstehen, versteht Foundamental als Investor mit Branchenexpertise viele Geschäftsmodelle auf Anhieb und kann als erklärender Berater für Investoren aus der Venture Capital Branche fungieren. Daher ist ein weiterer intuitiver Mehrwert, dass Foundamental als indirektes Zugpferd im Markt agiert und generalistische Investoren durch das bestehende Vertrauen und den Austausch mitziehen.
Im Bausektor sind ein paar Dinge wichtiger als in anderen Sektoren. Insbesondere der Umgang mit Kunden auf Augenhöhe kann entweder als Schlüssel zum Erfolg werden oder aber ein Dealbreaker. Denn „wenn man den Kunden von oben herab sein neues Geschäftsmodell verkauft und erzählt, dass die bestehenden Marktteilnehmer das 70 Jahre lang falsch gemacht haben“, wird wohlmöglich keine Kooperation entstehen. Auch wenn dies gesunder Menschenverstand ist, so sind die Kunden im Bausektor noch konservativer und sensibler als in anderen Märkten. Neben diesem Soft Factor gibt es noch einen Hard Factor, der besonders erwähnenswert ist.
„Die niedrig hängenden Früchte der Software-Themen sind im Bausektor schon gut abgegrast. Häufig braucht man jetzt eine Service Komponente für Baukunden, um Mehrwert zu schaffen. Das führt zwar zu mehr Komplexität, beschleunigt aber die Adoptionsrate.“
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