July 8, 2024
Michael Braungarts Leidenschaft für Chemie wurde früh in der Schulzeit entfacht. Er vertrat seine junge Chemielehrerin, die noch ihre letzte Prüfung ablegen musste, und brachte vertretungsweise seinen Mitschülern den Stoff bei. Auch der Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit mit dem Titel „Die Grenzen des Wachstums“ aus dem Jahr 1972 beeinflusste Michael in seiner Berufswahl.
Bei einer Ausgabe des Jugend-Forscht-Wettbewerbs wies er nach, dass in einem Fernseher 4360 verschiedene Chemikalien zu finden sind. Nachdem er die Jury fragte: “Wollen die Leute wirklich 4360 Chemikalien haben oder möchten Sie Fernsehen?“ wurde er als Ökokommunist gebrandmarkt und vom Wettbewerb ausgeschlossen.
Während seines Studiums der Chemie und Verfahrenstechnik besuchte Michael 15 Universitäten, weil er für seine Interessenschwerpunkte zu den Forschern musste. Es gab noch keinen zentralisierten Studiengang dieser Fachrichtungen, der alle Forschungsmöglichkeiten bündelte. Ein besonderes Augenmerk seiner Forschung und Arbeit legte Michael dann auf die Bauindustrie. Die produzierte 2020 in Deutschland mit knapp 230 Millionen Tonnen mehr als die Hälfte aller Abfälle und verbraucht stetig eine große Menge an natürlichen Ressourcen.
Der Kern des Cradle to Cradle-Konzepts, welches Michael zusammen mit dem US-amerikanischen Architekten William McDonough entwickelte, ist ein Modell für industrielle Prozesse, in dem keine „Abfälle“ existieren. Sämtliche Materialien befinden sich in geschlossenen biologischen oder technischen Kreisläufen. Statt Abfall gibt es nur nützliche Rohstoffe, die sich erneut in Stoffkreisläufe eingliedern lassen. Wörtlich übersetzt bedeutet das Konzept „Von der Wiege bis zur Wiege“.
Was man von China in Sachen Cradle to Cradle lernen kann
Michael erzählt, wie er in China lernte, was Kreislaufwirtschaft bedeutet. Wenn man dort auf dem Land zum Essen eingeladen ist, wird erwartet, dass man danach so lange bleibt, bis man die Toilette aufsucht. Alles andere, sagt Michael, wäre Nährstoffdiebstahl. In Deutschland ist die Verwendung menschlicher Fäkalien als Dünger in der Landwirtschaft untersagt, dabei entgehen dem Produktionskreislauf dadurch auch wertvolle Nährstoffe.
“Wir hassen uns so sehr, dass wir denken, es wäre eigentlich gut, es gäbe uns gar nicht. Und in China lernt man eben, wie wie Kreisläufe zu schließen sind, wie man wirklich ein Teil des Ganzen ist.” - Michael Braungart
Als Beispiel für ein Produkt nennt Michael den Holzwerkstoff GCC (German Compact Composite). GCC ist ein Holzwerkstoff, der in der Grundrezeptur bis zu 75 % Naturfasern enthält. Daraus können Terrassendielen, Sichtschutzzäune und Fassadenelemente hergestellt werden. Das gute ist, dass hierzu kein Baum gefällt wird, sondern Späne aus der Hobel- und Sägeindustrie zum Einsatz kommen. Am Ende des Lebenszyklus können die Produkte zurückgegeben und vollständig für die Herstellung neuer Produkte genutzt werden.
“Nehmen wir doch die Marktwirtschaft endlich ernst. Machen wir die Leute nicht ständig zum Eigentümer von Sondermüll, wenn sie doch nur eine bestimmte Dienstleistung brauchen.
- Michael Braungart
Michael schlägt ein Konjunkturprogramm für die Bauindustrie vor. Außerdem würde er Gebäude der 60er und 70er Jahre abreißen lassen, weil die „Sondermüll“ seien, man habe dort “jeden Dreck der Welt“ verbaut. Auf Häuserfassaden in Berlin könnte man heutzutage beispielsweise Algen anbauen, die als Nahrungsmittel wiederum ein effektiverer Nährstofflieferant sind als Mais oder Rindfleisch. „Grüne“ Gebäude könnten weiterhin gut für andere Lebewesen sein und sie fördern - das sei wichtiger, als pauschal „weniger schlecht“ zu sein.
“Also ich brauche eine Kultur der Großzügigkeit, nicht des Schuldmanagements. Kein Vermeiden, Sparen, Verzichten, reduzieren. Ein Kirschbaum im Frühling vermeidet auch nicht, der spart nicht, er ist nützlich.”
- Michael Braungart
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