Vom Vorzeigeprojekt zur Problemruine – Nichts geht mehr beim Chronicle
Das Erfurter Hochhausprojekt „Chronicle“ sollte eigentlich als architektonisches Ausrufezeichen in Thüringens Landeshauptstadt gelten. Im Herzen der Innenstadt, im früheren Redaktionsgebäude der Thüringer Allgemeinen, plante der bekannte Bauunternehmer Christoph Gröner eine aufwendige Revitalisierung.
Aus dem elfgeschossigen Altbau und einem angeschlossenen Neubau sollten 120 moderne Eigentumswohnungen entstehen. Ein Leuchtturmprojekt – so die Idee.
Heute steht das Gebäude still. Die Baustelle ist verlassen, die Arbeiten ruhen seit Monaten, Eigentümer blicken zunehmend ratlos auf ihre Investition. Gröner selbst hat das Projekt bereits 2024 abgegeben – übrig geblieben ist ein halbfertiger Rohbau und ein Netz aus juristischen und finanziellen Streitpunkten.
Große Ankündigungen von Christoph Gröner mit wenig Substanz
Als Gröner 2018 seinen Einstieg in Erfurt verkündete, sprach er davon, in das Projekt „hineinzuheiraten“. 33 Millionen Euro Investitionsvolumen, später wahrscheinlich mehr – wer Gröner kenne, wisse, dass er groß denke. Der Unternehmer pflegte das Image des umtriebigen Selfmade-Millionärs, mit Auftritten im Privatjet und Nähe zu Politik und Wirtschaft. In Erfurt sollte „Chronicle“ ein Meilenstein für die Stadtentwicklung werden.
Doch wie bei anderen Projekten der Gröner Group – etwa dem Steglitzer Kreisel in Berlin – geriet auch in Erfurt die Realität zunehmend aus dem Takt. Steigende Baukosten, Inflation und Probleme mit der Bausubstanz verzögerten das Vorhaben. Während Eigentümer auf die Fertigstellung warteten, wuchs die Unzufriedenheit.
Baustopp beim „Chronicle“ in Erfurt
Im April 2024 sollte eigentlich alles fertig sein. Stattdessen wurde zu diesem Zeitpunkt öffentlich, dass sich die Arbeiten um mindestens zwei weitere Jahre verzögern würden.
Ein neuer Fertigstellungstermin wurde für Ende 2026 in Aussicht gestellt – unter der Bedingung, dass die Käufer zusätzliche Mittel in Höhe von rund 30 Prozent des ursprünglichen Kaufpreises beisteuern. Für viele eine kaum stemmbare Forderung.
Beim „Chronicle“ ist unterdessen nicht einmal der Rohbau abgeschlossen. Ein von den Käufern beauftragtes Ingenieurbüro dokumentierte massive Baumängel – 322 Seiten stark. Das Mauerwerk sei an vielen Stellen unvollständig, der Fahrstuhlschacht offen, Wasserschäden seien erkennbar. Das beauftragte TÜV-Gutachten des neuen Projektträgers Fondsplus hingegen spricht von einer „guten Qualität“. Eine Einsichtnahme wurde den Käufern bislang verweigert.
Wem gehört das „Chronicle“ in Erfurt?
Im Herbst 2024 gab Christoph Gröner das Projekt offiziell ab. Die Bauträgergesellschaft wurde verkauft, mit dem Verweis, man wolle sich künftig auf Projekte in Sachsen konzentrieren. Der neue Projektträger Fondsplus, hinter dem unter anderem der Berliner Anwalt Hans-Georg Oelmann steht, übernimmt seither die Verantwortung.
Eine Lösung ist nicht in Sicht
Seit Ende 2023 ruht die Baustelle vollständig. Laut Fondsplus musste der Werkvertrag mit dem Generalunternehmer wegen „erheblicher Verzögerungen“ gekündigt werden. Ob und wann ein neuer Baupartner gefunden wird, bleibt offen. Die Eigentümer haben inzwischen einen Anwalt eingeschaltet und fordern Transparenz. Insbesondere die geforderte Nachzahlung wird kritisch gesehen – bislang fehlt eine detaillierte Kostenaufstellung.
Zugleich hat die Staatsanwaltschaft Leipzig im Dezember 2024 Geschäftsräume der Gröner Group durchsucht. Es geht um den Verdacht der Insolvenzverschleppung in mehreren Gesellschaften. Gröner selbst weist die Vorwürfe zurück und gibt sich kämpferisch.
Parallelen zum Steglitzer Kreisel
Das Projekt „Chronicle“ reiht sich ein in eine Serie von Vorhaben, bei denen ambitionierte Ankündigungen nicht mit der tatsächlichen Umsetzung mithalten konnten. Auch der Berliner Steglitzer Kreisel, ebenfalls ein früheres Projekt der Gröner-Gruppe, steht seit Jahren unter kritischer Beobachtung – auch dort ging es um einen Rückzug Gröners, Verzögerungen und massive finanzielle Schieflagen.
In unserem Video über das „Schandmal“ von Berlin haben wir ausführlicher darüber berichtet. Schaut doch mal rein: