Einfach bauen - die Forschungshäuser im B&O Bau ForschungsQuartier 

September 4, 2024
Autor/in:
Thomas Lippold

Um der Vision des einfachen Bauens näherzukommen, wurden drei Forschungsprojekte aufgesetzt, die von der B&O Gruppe unterstützt wurden. Mehr erfahrt ihr hier!

Bildquelle:
Eigene

Wer über das B&O Bau ForschungsQuartier der B&O Gruppe in Bad Aibling läuft, wird früher oder später auf vier (bald fünf) Häuser treffen, die sich sehr ähneln. Ins Auge fallen sofort die Rundbogenfenster des Leichtbetonhauses, die in Deutschland heutzutage ein eher seltener Anblick sind. Der Grund für diese Bogenkonstruktion, die schon die alten Römer bauten, ist jedoch ein entscheidender, den wir an späterer Stelle verraten. 

Trotz ihrer Gleichheit unterscheiden sich die ersten drei Forschungshäuser enorm. Sie wurden, wie der Name verrät, zu Forschungszwecken aus den unterschiedlichen Materialien Massivholz, Dämmziegeln und Leichtbeton errichtet.

Früher ging es doch auch anders! Wie man wieder einfach baut

Hinter diesem Projekt stand der Wunsch des Architekten Prof. Florian Nagler, einfacher zu bauen. An der Technischen Universität München (TUM) gründete sich im Jahr 2012 der gleichnamige Verbund “Einfach Bauen”. Darin vereinten sich Architekten und Ingenieure, die den Sinn der stetig steigenden Komplexität von Bauten und Gebäudetechniken infrage stellten. Unzählige Normen, Regularien und Anforderungen an Brand- und Schallschutz oder Standsicherheit haben die Schwierigkeit des Bauens enorm erhöht.

Die Folgen dieser Komplexität beschreibt der Verbund in seiner Selbstvorstellung recht knapp. Man sehe eine “hohe Fehlerquote in Planung und Ausführung sowie eine Überforderung von Bauherren und Nutzern.” Im Verbund will man neue Impulse in der Bauwirtschaft setzen und Komplexität reduzieren - sprich “Einfach Bauen”. Die Strategie verfolgt dabei folgende Ziele:

  1. Reduzierte Anzahl von Bauteilschichten
  2. Handwerkliche Fügung der Bauteile
  3. Klimagerechte Bauweise
  4. Robuste Gebäudetechnik
  5. Flexible Nutzung möglich

Was bedeutet “Einfach Bauen” wirklich?

Um der Vision des einfachen Bauens näherzukommen, wurden drei Forschungsprojekte aufgesetzt, die von der B&O Gruppe unterstützt wurden. Das Forschungsprojekt “Einfach Bauen 1: Ganzheitliche Strategien für energieeffizientes, einfaches Bauen – Untersuchung der Wechselwirkung von Raum, Technik, Material und Konstruktion” hat erforscht, wie man Gebäude einfach und robust baut. Gleichzeitig wurden diese bezüglich Umweltwirkung und Lebenszykluskosten und auch mit Blick auf das Nutzerverhalten mit üblich gebauten und in Niedrigenergiebauweise errichteten Gebäuden verglichen. 

Eine große Frage, die alle drei mittlerweile abgeschlossenen Forschungsprojekte gemein haben - insbesondere das Zweite, welches sich mit der Errichtung der drei Forschungshäuser beschäftigte, lautet: Kann ein Bauunternehmen und die Gesellschaft das Bauen neu lernen? 

Bedeutet “Einfach bauen” auch “Besser bauen”?

Die Hypothese lautete: “Wohngebäude mit hochwertiger und gleichzeitig suffizienter Architektur, robuster Baukonstruktion und reduzierter Gebäudetechnik sind - über einen Lebenszeitraum von 100 Jahren - bei besserer Aufenthaltsqualität sowohl üblichen Standardwohngebäuden als auch aktuellen Passivhäusern hinsichtlich Ökobilanz und Lebenszykluskosten überlegen.”

Eine Erkenntnis: Es gibt kein Standardrezept für das “einfache” Bauen. Sämtliche äußeren Bedingungen am Errichtungsort müssen in die Betrachtungen und Planungen einfließen. Weiterhin kam man zu der Erkenntnis, dass urbane Bauformen, die häufig mehrgeschossig und kompakt sind, natürlich Hüllfläche sparen. Das spart wiederum Energie bei der Produktion ebendieser Hüllflächen und im Gebäudebetrieb. 

Ein zu hoher Glasanteil wäre für ein Gebäude ebenfalls nicht zuträglich. Stattdessen sollte der Anteil so bemessen sein, dass der Einfall von Tageslicht, der solare Eintrag und Wärmeverluste in einem ausgewogenen Verhältnis miteinander stehen. Somit lässt sich Sonnenschutz oder sogar “unsinniges Sonnenschutzglas” vermeiden, lautet das Fazit der Forscher. Auch eine bessere Dämmung als der Standard sei ökologisch und ökonomisch nicht sinnvoll und schaffe kaum weitere Energieeinsparungen.

Faktor Mensch als schwer einschätzbare Konstante

Ein weiteres Ergebnis lautet, dass der Faktor Mensch ein nicht zu unterschätzendes Erschwernis im effizienten Gebäudebetrieb darstellen kann. Falsches Lüften kann sich negativ auf die Energiebilanz des Gebäudes im Nutzungszeitraum auswirken. Daher sind gründliche und effiziente Aufklärungsarbeit der späteren Bewohner essenziell. Gleichzeitig sollten beispielsweise Lüftungsanlagen ausreichend robust sein, um mit Fehlverhalten der Nutzer umgehen zu können.

Zuletzt sollten Gebäude mit Blick auf mögliche Veränderungen geplant und gebaut werden. Grundrissstrukturen, die flexibel sind, machen Nutzungswechsel im Nachgang leichter. Eine Trennung der Baukonstruktion und der Haustechnik ermöglicht eine leichtere Ersetzung der Techniksysteme, die irgendwann veralten. Alle Bauteile sollten so zusammengefügt werden, dass sie auch wieder lösbar sind. Reparaturen und Renovierungen werden so einfacher und unter Umständen auch durch handwerklich begabte Bewohner möglich. 

2603 Raumsimulationen, ein Gewinner

Im Forschungsprojekt “Einfach Bauen 1” wurde ein multifunktional nutzbarer Basis-Raum definiert, der eine 18 Quadratmeter große Grundfläche besitzt. Für diesen Raum wurde von einem idealen Nutz- und Heizverhalten ausgegangen. In einer nachfolgenden Simulation wurden die Parameter Raumhöhe, Raumtiefe, Fenstergröße, Glasart, Dicke der Außenwand, Himmelsrichtung und Bauweise variiert. Es kamen 2603 Raumvarianten heraus, die thermisch simuliert wurden. 

Überraschenderweise schnitt ein Raum, wie man ihn beispielsweise in Altbauten aus der Gründerzeit finden kann, am besten ab.

Das Forschungsprojekt “Einfach Bauen 2” schloss sich an. Der lange Name lautet „Einfach Bauen 2 – Planen-Bauen-Messen: Anwendung integraler Strategien für energieeffizientes, einfaches Bauen mit Holz, Leichtbeton und hoch wärmedämmendem Mauerwerk in Pilotprojekten anhand der Ergebnisse aus Einfach Bauen 1” und bringt das Ziel direkt auf den Punkt. Man identifizierte die üblichen Baumaterialien aus dem Wohnungsbau und errichtete mit Unterstützung der B&O Gruppe auf dem firmeneigenen B&O Bau ForschungsQuartier drei Forschungshäuser aus Holz, Leichtbeton und Mauerwerk. 

Die Errichtung der dreigeschossigen Wohnhäuser aus Holz und Mauerwerk wurde durch die B&O Bau Bayern GmbH durchgeführt und dauerte laut Abschlussbericht vier Monate. Beim Bau aller Häuser wurden die im ersten Forschungsprojekt erarbeiteten Strategien konkret angewendet und getestet. Laut Fazit des Forschungsprojektes 2 ist das Konzept “Einfach Bauen” verständlich und gut anwendbar. Es konnte jedoch nicht bestätigt werden, dass die Kosten durch “einfache Bauweisen” im Vergleich zu konventionellen Gebäuden und Passivhäusern niedriger sind. 

Beim Bauen selbst bedeutete “Einfach bauen” ein möglichst schichtenarmer Aufbau. Am Betonhaus verzichtete man auf konventionellen Stahlbeton plus einer Dämmschicht und entschied sich direkt für Dämmbeton. Beim Holzhaus ist eine einschalige Außenwand vorhanden - ähnlich wie bei einem alten Bauernhaus. Die Wand selbst verfügt aber über Luftkammern in den Innenschichten, die für eine bessere Dämmung sorgen. Das Gebäude aus Mauerwerk besteht aus wärmedämmenden Hochlochziegeln, die quasi nur aus Ton und Luft gemacht sind. 

Rundbogenfenster sparen konventionelle Stürze - und lockern die Fassade auf

Auch die eingangs erwähnten Rundbogenfenster haben einen ganz praktischen Grund. Um auf zusätzliche Elemente wie Stahl im Beton zu verzichten, entschied man sich bei der Überbrückung der Fenster für eine Bogenkonstruktion. Die leitet die Druckkräfte direkt in die Außenwand aus Dämmbeton. Eine ähnliche Fensterform ist im Mauerwerkshaus zu beobachten. Nur Holz als linearer Baustoff kann relativ einfach einen horizontalen Fenstersturz produzieren. 

Vom Forschungsobjekt zum Wohnhaus 

Aktuell sind alle drei Wohnhäuser von Mietern bewohnt. Das war essenzielle Voraussetzung für das Forschungsprojekt „Einfach Bauen 3 – Messen, Validieren, Rückkoppeln“. Anhand von Messungen und Befragungen der Bewohner wurde die Performance der Gebäude untersucht. Die Untersuchungen teilten sich auf drei Bereiche. Die Außenwände aus Leichtbeton, Mauerwerk und Massivholz wurden auf ihre Dämmwirkung und Gebrauchstauglichkeit untersucht. Weiterhin wurde der Energieverbrauch und thermische Komfort der Häuser erprobt. Zuletzt ordnete man die gemessenen Werte des thermischen Komforts durch Befragungen der Bewohner ein.

Im Ergebnis wurde bei allen drei Gebäudevarianten eine Austrocknung der Wände festgestellt. Die gemessenen Wärmestromwerte unterschieden sich dabei von denen, die die Hersteller angaben. Die Wissenschaftler vermerken hier weiteren Forschungsbedarf. Nach Auswertung der Messungen des Raumklimas wurden die Simulationsannahmen bestätigt. Eine Überhitzung im Sommer findet aufgrund der thermischen Trägheit der Bauteile tendenziell nicht statt. Die Raumluftfeuchte wurde durch Wände und Decken passiv reguliert. 

Manche mögens heiß - und manche nicht

Auch die gemessenen Energieverbräuche lagen unter den nach der Energieeinsparverordnung (EnEV) berechneten Werte. Bei den Bewohnerbefragungen im Winter und Sommer war das Bild differenzierter. Einheitlich war die positive Einschätzung der Raumhöhe von 3,1 Metern. Bei den gewünschten Raumtemperaturen im Winter lagen die Werte allerdings zwischen 18 und 26 Grad. 

Wissenschaft trifft Pioniergeist - Forschung aus Überzeugung bei der B&O Gruppe

Für den ausführenden Architekten Prof. Florian Nagler war die Zusammenarbeit mit der B&O Gruppe bei der Errichtung der ersten drei Forschungshäuser ein voller Erfolg und “eine sensationelle Gelegenheit,” wie er im DIGITALWERK-Interview verriet: “Dass man einen Bauherren hat, der das Grundstück zur Verfügung stellt, der einen für die Leistung bezahlt und der die Häuser finanziert - und der dann noch bereit ist, alles, was wir uns in der Forschung überlegt haben, eins zu eins in die Realität umzusetzen und es dann hinterher zu überprüfen. Das gibt es nicht so oft, deswegen sind wir total froh und dankbar, dass wir hier arbeiten dürfen.” 

Mit den Erfahrungen der ersten drei Forschungshäuser sind drei weitere geplant, von denen eins bereits errichtet wurde. Dieses vierte Forschungshaus hat Halbholzwände und Lehmziegel und soll ein klimaneutrales Wohnhaus werden. Bei den neuen Forschungshäusern ist weiterhin das Ziel, auf den Einsatz von Beton wo möglich zu verzichten. Die Auswirkungen auf die Umwelt durch Bauwerk und Gebäudetechnik sollen auf ein Minimum reduziert werden. Verschiedene Holzkonstruktionen der Außenwände und Decken treffen dabei mit Innenwänden aus Lehmstein, Stampflehm und Recyclingziegeln zusammen, die gleichzeitig als tragende Wände und thermische Speichermassen dienen. 

Ausgeforscht? Noch lange nicht

Die Errichtung zweier weiterer Forschungshäuser auf dem B&O Bau ForschungsQuartier beweist, dass Innovation bei der B&O Gruppe auch in Zukunft großgeschrieben wird.

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