Ist das Bauen im Bestand die Lösung für die Immobilienkrise?

July 3, 2024
Autor/in:
Thomas Lippold

Die Zahl der Baugenehmigungen ist in Deutschland auch im neuen Jahr gesunken. Doch das bietet auch Chancen, die Bautätigkeit beispielsweise in den Bestand zu verlagern. Denn dort schlummert nach wie vor viel ungenutztes Potenzial. Wie Supermärkte und Aufstockungen helfen können, den Wohnungsmangel zu besiegen, erklären wir in diesem Artikel.

Bildquelle:
Bild mit KI generiert (Midjourney)

Weniger Baugenehmigungen im aktuellen Jahr 

Von Januar bis April 2024 wurden wesentlich weniger Baugenehmigungen erteilt als im Vorjahreszeitraum. Die Genehmigungen sanken um -32,5 % bei Einfamilienhäusern, -18,3 % bei Zweifamilienhäusern und -20,2 % für Mehrfamilienhäuser. Im gleichen Zeitraum wurden 71 700 Wohnungen genehmigt, das entspricht einem Rückgang von 21 % oder 18 900 Wohnungen weniger als 2023, teilte das Statistische Bundesamt im Juni mit. 

Das Resultat wird sein, dass nach Fertigstellung dieser Gebäude immer noch zu wenig bezahlbarer Wohnraum vorhanden sein wird. Die Mieten werden daher steigen, und es wird für Menschen auch in den kommenden Jahren nicht einfacher, an bezahlbaren Wohnraum zu kommen. 

Im Jahr 2023 wurden in Deutschland 294.400 Wohnungen fertiggestellt, das waren 0,3 weniger als im Vorjahr. Zum Ende des letzten Jahres verringerte sich der Bauüberhang (genehmigte, nicht fertiggestellte Wohnungen) auf 826.800, davon befanden sich 390.900 Wohnungen bereits im Bau.

Gleichzeitig führt eine verringerte Bautätigkeit zu einem Wohnungsmangel, der wiederum zu höheren Mieten für Wohnungsnehmer führt. Auch von Bundesland zu Bundesland unterschiedliche Genehmigungsverfahren, damit verbundene regulatorische Rahmenbedingungen und auch der Einfluss der Mietpreisbremse dürften dazu führen, dass weniger gebaut wird.

Leitzinssenkung der EZB ist positives Signal

Die Ankündigung der Europäischen Zentralbank (EZB) am 06. Juni, die Leitzinsen zu senken, betrifft zwar nur die kurzfristigen Zinsen, sei aber ein positives Signal, welches den Immobilienmarkt und seine Akteure psychologisch beruhigen könnte, teilte das BF.Marktradar im Juni 2024 mit. 

Großes Potenzial für Bauen im Bestand in Deutschland

Eine Alternative zum Neubau könnte das Bauen im Bestand sein. Das umfasst den Wiederaufbau und die Instandsetzung, aber auch Modernisierungen sowie Um- und Erweiterungsbauten. Das Aufstockungs- und Nachverdichtungspotenzial in Deutschland ist riesig: Eine Studie der TU Darmstadt kam 2019 zum Schluss, dass durch Aufstockung und Umnutzung von Nichtwohngebäuden circa 1,3 Millionen Wohnungen mit je 75 Quadratmeter Wohnfläche geschaffen werden könnten. 

Der Vorteil von Nachverdichtungen ist zuerst die Nutzung von vorhandenen Gebäuden und Infrastruktur. Der Gebrauch bestehender, bereits bebauter Flächen erfordert keine zusätzliche Versiegelung. Das wirkt sich positiv auf die Umwelt und die Ökobilanz aus. Auf- und Umbauten verbrauchen weniger Ressourcen, weil eine Grundkonstruktion schon vorhanden ist. 

Die Herausforderung von Bauen im Bestand ist aber der erhöhte Anforderungsgrad an Durchführung und Planung, da häufig nicht genau abgeschätzt werden kann, auf welche Bausubstanz und Überraschungen man stoßen wird. 

Das fordert eine höhere planerische und finanzielle Flexibilität. Sanierungs- oder Modernisierungskosten sind dadurch auch oft vergleichbar mit Neubaukosten, aber nicht zwingend geringer. Die Entscheidung für den Bau im Bestand sollte daher keinesfalls aus Kostengründen getroffen werden. 

Aufstockungen: Gut gelegene, eingeschossige Gebäude im Visier von Stadtplanern

In Berlin wurde 2022 ein Potenzial von 14 000 bis 36 000 Wohnungen ermittelt, die durch Überbauungen von Supermärkten entstehen könnten. Die oft nur eingeschossigen Supermärkte liegen häufig an zentralen Orten, die sehr gut erschlossen sind. Eine optimierte Mischnutzung dieser Gebäude könnte nicht nur dringend benötigten, sondern auch attraktiven Wohnraum schaffen. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung identifizierte von 1100 Berliner Supermärkten damals 300, die überbaut werden könnten. 

Bildquelle: LIDL (https://unternehmen.lidl.de/pressreleases/2020/201201_spatenstich_hoenowerstrasse)

In Berlin hat beispielsweise auch die B&O Bau zusammen mit der HOWOGE auf ein Haus mit 6-stöckiges noch drei Geschosse in Holzbauweise gesetzt.

Zum Video geht´s hier:

Bestandsbau als Chance

Der Fokus weg vom Neubau hin zum Bauen im Bestand bietet also durchaus Chancen - nicht nur für die Menschen, die zusätzlich in gut erschlossene und attraktive Wohnlagen ziehen können - sondern auch für Die Bau- und Immobilienbranche. Aufstockungen wie im obigen Video bieten die Möglichkeit, auf vorgefertigte Module in Holzbauweise zu verwenden. Bauen im Bestand fordert uns auch auf, bestehende Flächen genauer in den Blick zu nehmen und die Flächennutzung zu optimieren. Die Chance, so auch in Städten nachhaltiger zu bauen, ist also durchaus gegeben.

Zurück zur Übersicht
Das könnte Dich auch interessieren:
Du möchtest über die neuesten Podcasts, Videos und Kurse informiert werden und die aktuellsten News erhalten? Dann abonniere jetzt unsere Newsletter!

Kontaktiere uns!

Du hast einen spannenden Gastbeitrag für uns? Oder einen brandheißen Tipp für unsere Redaktion? Dann schreib uns doch einfach aninfo@digitalwerk.io

DIGITALWERK PODCAST

Der DIGITALWERK Podcast zählt zu den führenden Podcasts in den Bereichen Bau, Immobilien, Energie und Mobilität und richtet einen besonderen Fokus auf die Transformation und wirtschaftlichen Erfolgsgeschichten der jeweiligen Unternehmen.
Jede Woche tauscht sich Michél-Philipp Maruhn mit Top-Managern und Unternehmern aus, um tiefe Einblicke in unternehmerische Herausforderungen, Umsetzungsstrategien von Nachhaltigkeit und sinnvolle Digitalisierungsmöglichkeiten von heute zu gewinnen.