Nachhaltige Glasproduktion: Scherben und Kreislaufwirtschaft

December 4, 2024
Autor/in:
Thomas Lippold

Die Glasproduktion gehört zu den energieintensivsten Industrien weltweit. Gleichzeitig birgt sie ein enormes Potenzial, durch innovative Recyclingmethoden und Kreislaufwirtschaftsmodelle nachhaltiger zu werden.

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Die Glasproduktion gehört zu den energieintensivsten Industrien weltweit. Gleichzeitig birgt sie ein enormes Potenzial, durch innovative Recyclingmethoden und Kreislaufwirtschaftsmodelle nachhaltiger zu werden. Unternehmen wie Saint-Gobain treiben diese Transformation voran. In diesem Artikel beleuchten wir die wichtigsten Ansätze, Herausforderungen und Zukunftsperspektiven einer nachhaltigen Glasproduktion.

Kreislaufwirtschaft: Flachglas bleibt Flachglas

Ein zentrales Ziel nachhaltiger Glasproduktion ist die Kreislaufwirtschaft. Statt allein auf die Förderung von Primärrohstoffe wie Sand und Soda zu setzen, fördert Saint-Gobain auch Urban Mining. Hierbei werden Rohstoffe direkt aus urbanen Abfällen zurückgewonnen, beispielsweise aus abgerissenen Gebäuden.

Beim Recycling gibt es dabei klare Regeln: Flachglas – beispielsweise aus Fenstern oder Fassen –  muss mit möglichst hohem Anteil wieder zu Flachglas werden. Wird Fenster- oder Fassadenglas zu Glasflaschen oder Glaswolle recycelt, spricht man von Downcycling. Solche Produkte können nicht zurück in den Kreislauf hochwertiger Flachglasproduktion gebracht werden. Aus alten Flaschen kann also nie wieder ein Flachglas werden. Das Downcycling muss sich auf die Mengen beschränken, die nicht im Flachglas-Kreislauf gehalten werden können, sei es aufgrund von Kontaminationen oder anderen Ausschlusskriterien.

CO₂-Reduktion: Recyclingglas als Klimaschützer in der nachhaltigen Glasproduktion

Die Wiederverwertung von Glas hat enorme Vorteile für die Umwelt. Jede Tonne Glasscherben, die in das Gemenge für die Glasproduktion eingebracht wird, spart 700 Kilogramm CO₂ in Scope 1, 2 und 3. Diese Zahlen verdeutlichen das Potenzial, das Recyclingglas für den Klimaschutz hat. Im Jahr 2024 hat Saint-Gobain in seiner Glasproduktion bereits über 70.000 Tonnen externe Glasscherben eingesetzt und will diesen Anteil weiter steigern. 

Langfristig ist geplant, Produktionsanlagen zu betreiben, die Glas nahezu CO₂-neutral produzieren können. Glas besitzt also das Potenzial, zu einem der nachhaltigsten Baustoffe zu werden, wenn die Kreislaufwirtschaft gelingt.

Herausforderungen: Qualität als Schlüssel

Trotz aller Innovationen und Potenziale steht die Glasindustrie vor erheblichen Herausforderungen. Eine große ist die Sicherstellung der Qualität der Glasscherben, die recycelt werden sollen. Verunreinigungen, etwa durch Glaskeramik wie Cerankochfelder, stellen eine ernsthafte Gefahr dar. Solche Materialien haben einen anderen Schmelzpunkt und können an den Produktionsstandorten zu Schäden führen. Solche Krisen erfordern ein striktes Qualitätsmanagement entlang der gesamten Lieferkette. 

Technologische Fortschritte: Nachhaltige Glasproduktion und der Weg zur Klimaneutralität

Saint-Gobain hat bereits wegweisende Fortschritte erzielt, die Glasproduktion nachhaltiger zu gestalten. Ein Fokus liegt auf dem Recycling von Fassadenglas. Bei derartigen Großprojekten werden Recyclingglascontainer direkt auf Baustellen platziert. Das gesammelte Glas wird anschließend zentral und sortenrein gesammelt, aufbereitet und als Rohstoff zurück in den Produktionskreislauf gebracht.

Neben dem Recycling setzt das Unternehmen auf erneuerbare Energien. Die Herstellung von Glas erfordert extrem hohe Temperaturen, die bisher vor allem durch den Verbrauch von Strom und Gas gedeckt wurden. Mit der Nutzung von grünem Strom und Biogas können diese Emissionen drastisch gesenkt werden.

Für das Konzept der CO₂-neutralen Glasproduktion wird Saint-Gobain eine Förderung in Höhe von bis zu 382 Millionen Euro Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) erhalten. Die Förderung ist für Transformationsprojekte vorgesehen. 

Zukunftsperspektiven der nachhaltigen Glasproduktion: Recycling als Standard

Die Vision einer vollständig nachhaltigen Glasindustrie ist ehrgeizig, aber realistisch. Langfristig will Saint-Gobain den Anteil an Post-Consumer-Glas erhöhen. Diese Altglasscherben stammen aus Produkten, die einen kompletten Lebenszyklus durchlaufen haben, etwa aus alten Fenstern bei Renovierungen oder Sanierungen. Auch ausgebaute Windschutzscheiben zählen dazu.

Einer der Ansätze ist entsprechend die Kooperation mit der Automobilindustrie. Windschutzscheiben können problemlos recycelt werden. Erste Pilotprojekte zeigten, dass sich aus recycelten Scheiben neue Windschutzscheiben herstellen lassen.

Ein weiteres Ziel ist die Förderung von Bewusstsein für Recycling. Auf Baustellen müssen Arbeiter geschult werden, Glas und andere Baustoffe korrekt zu trennen. Diese Maßnahmen sind entscheidend, um eine nachhaltige Bauwirtschaft zu schaffen. Hier steht die nachhaltige Glasproduktion vor den gleichen Problemen wie die Gipsindustrie beim Sammeln und Sortieren ihrer Reste.

Bewusstseinsförderung: Glas als wertvoller Rohstoff einer nachhaltigen Glasproduktion

Die größte Herausforderung für die Kreislaufwirtschaft ist nicht nur technischer Natur, sondern auch kulturell. Altes und kaputtes Glas wird oft als Abfall wahrgenommen. Dabei handelt es sich um einen wertvollen Sekundärrohstoff, der quasi unbegrenzt recycelbar ist.

Fehlen auf Baustellen jedoch die Strukturen, um Glas fachgerecht für das Recycling vorzubereiten, entgehen kostbare Scherben dem Recyclingprozess. Alte Fenster, die in Baumischabfallcontainern landen, werden so einer Wiederverwertung entzogen. Hier ist ein gesellschaftliches und kulturelles Umdenken gefragt. 

Nachhaltigkeit als Chance für die Glasindustrie

Die Glasproduktion steht an einem Wendepunkt. Mit innovativen Recyclingmethoden, strengen Qualitätsstandards und dem Einsatz erneuerbarer Energien zeigt Saint-Gobain, dass Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit Hand in Hand gehen können. Die Kreislaufwirtschaft und die CO₂-Reduktion bei der Glasproduktion durch Recyclingglas sind dabei die wichtigsten Aspekte.

Der Erfolg hängt jedoch nicht nur von Technologien ab, sondern auch von einem Bewusstseinswandel in der Bau- und Recyclingbranche. Mit Projekten wie Fassadenrecycling und Kooperationen mit der Automobilindustrie beweist Saint-Gobain, dass diese Transformation bereits in vollem Gange ist.

Die bisherigen Erfolge rund um das Recycling von Fassadenglas wurden jüngst mit dem Finaleinzug bei dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet. Hier zählte Saint-Gobain unter allen Einsendungen zu den Top 3 der Branche und wurde dementsprechend als Finalist des Deutschen Nachhaltigkeitspreises 2024 prämiert.

Solche Auszeichnungen zeigen auch: Die Vision einer vollständig nachhaltigen Glasproduktion ist kein ferner Traum. Sie ist eine Chance, die sowohl die Umwelt schont, als auch Deutschland als attraktiven Produktionsstandort sichert. 

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